Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
Nr. 227, siehe GAA, Bd. V, S. 268thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Georg Ferdinand Kettembeil (Frankfurt a. M.)
Brief

                    Handschrift Freund,

  Aschenbrödel wächst. Auch Henrich VI. Freut mich äußerst
daß Du kommst und Barbarossa Dir gefällt. Gibt es etwas
Nationelleres? Wir siegen. Schnell gedruckt und versandt.
5In Abendzeitung und Gesellschafter war neulich von mir die
Rede. Scenen an's Morgenblatt und die Abendzeitung.
Gleich! — Ich flehe: meine Theaterrecension
sofort etwas verändert in die Iris. An sie ist nichts von
hier abgegangen. Es war ein Irthum. Neulich erhielt ich die
10Anweisung auf Wasserfall und die angefügten Cassenscheine.
Sechs Prachtexemplare (auch England, Lippe, und der
Kronprinz von Preußen.)

  Vetter, die Scenerie im Barbarossa ist groß. Venedig,
Mainz und Harz. Ob Du 1st Theil der Hohenstaufen davor
15setzest oder nicht, überlass' ich Deinem Ermessen als Buchhändler.
Nöthig scheint's nicht, da die Ankündigung von
Heinrich VI doch angeschlossen wird. Der Barb. ist mir dazu
zu sehr in sich vollendet.

  Don J.[uan] wird bald wirken, Barbarossa nach, dann
20Aschenbr., dann Heinr. VI, dann Philipp — ich bin in vollster
Kraft, und hätte ich Zeit und Geld, so könnte ich dieses
Jahr noch mehr thun. Aber die Bauern: sieh's an meiner
Handschrift.

  Schick mir ja sofort jede Recension. Rousseau, Meseritz,
25Döring, los! Wir spielen um's Höchste. Hätt' ich Zeit, wollt'
ich den Leuten mich als Kritiker gefürchtet machen. Ja Exemplare
vom Handschrift D. J. an Gubitz, Hell, Müller. Sind die Recensionen
fort?

  Ich muß schließen, und kann nur sagen, daß ich Dich
30liebe, und bin
                       Dein
  Detmold den 16t April    Grabbe stets.
      1829.    

  (Der Wittelsbacher im B.[arbarossa] ist auch gut! — Theatralisch
35kann ich es leicht ordnen, zeig' es ja an — Die
Schlachten, so wild sie scheinen, passiren re vera außer
der Bühne. Das ist die Kunst.)
  (O sprechen wir uns erst mündlich!)
  (Es ist ein Schauspieler Braunhofer in Frankfurt. Der kennt

[GAA, Bd. V, S. 269]

 


mich, ich habe ihm genützt — kannst Du ihn nutzen. Nach
Hannover ist ein D. J. an's Theater von Pichler gesandt.
  In Lemgo sind die Exemplare vergriffen. Fast wünscht'
ich, Du schicktest mir mit der fahrenden Post für diese Handlung
5neue. Die Manesser nächstens retour.)
  [Adresse:] Handschrift Sr Wohlgeboren dem Herrn Buchhändler Kettembeil
(Hermannsche Buchhandlung) in Frankfurt am Main.
Frei.

 


227.

H: Doppelbl. in 40; 2 S., Adresse auf S. 4.
  Auf S. 4: Abgangsstempel: DETTMOLD 16/4 Ankunftsstempel:
FRANKFURT 19. APR. 1829 Vermerk des Empfängers: 1829 Grabbe
in Detmold den 16 April
F: GrA

S. 268, Z. 5 f.: In Abendzeitung und Gesellschafter war neulich
von mir die Rede: In Nr 72 der „Abend-Zeitung“ vom 25. März
1829 findet sich auf S. 288 der Beschluß einer Korrespondenz-Nachricht
aus Frankfurt am Main, deren Anfang vom 18. Februar
datiert ist. Darin heißt es u. a.: „Bei Hermann ist ein neues Drama

[Bd. b5, S. 583]

 


von Grabbe: Don Juan und Faust, erschienen. Die ersten
Versuche des jungen Dichters, die im Laufe des vorigen Jahres bekannt
wurden, ließen allerdings von den künftigen Großes erwarten.
Eine gigantische Weltansicht, eine oft hinreißende Lyrik traten überraschend
vor das Publikum. Beide Vorzüge, besonders aber der
letztere, sind auch dem Don Juan und Faust eigen und die
Idee, das südliche Volksmährchen mit dem nordischen zu verschwistern,
ist gewiß höchst genial. Gegenwärtig soll Herr Grabbe mit
einer dramatischen Bearbeitung der Geschichte sämmtlicher Hohenstaufen
beschäftigt seyn.“
  In No VI der „Anzeigen“, einem Teil des „Bemerkers“ No 8,
Beilage zum 48sten Blatte des „Gesellschafters“ vom 25. März, findet
sich auf S. 251 eine Anzeige des „Don Juan und Faust“, deren
Wortlaut mit der des „Lippischen Intelligenzblattes“ vom 11. April
übereinstimmt.
S. 268, Z. 6 f.: Scenen an's Morgenblatt und die
Abendzeitung: Diese hat keine Probeszenen gebracht; jenes
in den Nrn 136—39 vom 8.—11. Juni 1829 Teile von I,2, II,2
und III,1.
S. 268, Z. 7 f.: meine Theaterrecension sofort etwas verändert in
die Iris: Dieser Bericht, mit der Besprechung der Detmolder Aufführung
des „Don Juan und Faust“ endend, ist in Nr 56 der „Frankfurter
Iris“ vom 10. Mai 1829 erschienen. Wiederabgedr. Verweis zum Kommentar Bd 4, S.
87—88, als Nr 8.
S. 268, Z. 10: Wasserfall: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 83, Z. 23 f.
S. 268, Z. 24: Rousseau: Von ihm ist keine Besprechung des
„Don Juan und Faust“ bekannt.
S. 268, Z. 25: Döring: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar Bd 1, S. 258, Z. 25
(S. 611—12).
S. 268, Z. 26 f.: Ja Exemplare von D. J. an Gubitz: Eine mit —5*5*.
unterzeichnete, im Ganzen ablehnende Kritik dieses „wunderlichen
Produkts“ findet sich im 78sten Blatte des „Gesellschafters“ vom
16. Mai 1829, S. 400. Sie stammt offensichtlich von Gubitz selbst;
vgl. dessen „Erlebnisse“, Bd 2, Berlin 1868, S. 255.
  Sie ist wiederabgedr. in: „Grabbes Werke in der zeitgenössischen
Kritik“, hrsg. von Alfred Bergmann, Bd 2, Detmold 1960, S. 58—60.
S. 268, Z. 27: Hell: Die „Abendzeitung“ hat zwei Korrespondenzen
über „Don Juan und Faust“ gedruckt, die eine aus Frankfurt
am Main vom 18. Februar, die zweite aus Detmold vom
30. März datiert. Siehe „Grabbes Werke in der zeitgenössischen
Kritik“, hrsg. von Alfred Bergmann, Bd 2, Detmold 1960, S. 38,
unter Nr 3, und S. 39—40, unter Nr 5.
S. 268, Z. 27: Müller: Die damals noch von Methusalem Müller
herausgegebene „Zeitung für die elegante Welt“ hat in ihrer Nr 11
vom 15. Januar 1830 (Sp. 88) einen kurzen Bericht über die Detmolder
Aufführung des „Don Juan und Faust “gebracht. Wiederabgedr.
in: „Grabbes Werke in der zeitgenössischen Kritik“, hrsg.
von Alfred Bergmann, Bd 2, Detmold 1960, S. 89, unter Nr 19.
S. 268, Z. 39: Braunhofer: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar Bd 4, S. 61, Z. 35
(S. 417).
S. 269, Z. 3: In Lemgo: Bei der Meyerschen Hofbuchhandlung.

[Bd. b5, S. 584]

 


S. 269, Z. 5: Die Manesser: Wahrscheinlich eine Ausgabe der
Manessischen Liederhandschrift. In Frage kommen entweder „Proben
der alten schwäbischen Poesie des Dreyzehnten Jahrhunderts. Aus
der Maneßischen Sammlung.“ (Hrsg.: Johann Jakob Bodmer und
Johann Jakob Breitinger.) Zürich 1748. oder: „Sammlung von Minnesingern
aus dem schwaebischen Zeitpuncte CXL Dichter enthaltend;
Durch Ruedger Manessen, weiland des Rathes der uralten
Zyrich. (Hrsg.: Bodmer und Breitinger.) Zwei Teile. Zyrich 1758—59.