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Nr. 30, siehe GAA, Bd. V, S. 20thumbnail
Adolph Henrich Grabbe (Detmold) an Christian Dietrich Grabbe (Detmold)
Brief

Handschrift Lieber Christian. Deine Briefe bekömmt keiner zu sen!

  Deine beiden Briefe vom 8ten u. 12ten Mai habe ich den
16ten des Nachmittags zugleich erhalten. Der eine ist davon
nicht mal 4 u. der andere beinahe 8 Tage unterweges gewesen.

35  Daß sich Deine Mutter freuete, wie 2 Briefe zugleich ankamen,
kannst Du denken. Du schreibst von Deiner Stube
dieses mußt Du am besten wissen. Das Bette sollst Du haben
auf Michaeli oder noch nachdem die Gelegenheit da ist. Je
wohlfeiler Du ein Logie bekommen kannst, desto besser ist

[GAA, Bd. V, S. 21]

 


es für Dich den kannst Du mehr verzehren. Der Mann aus
Marocco in Deinem Quartier ist das ein Student? Des Morgens
mit Deinem Kaffe glaubt die Mutter das käme Dir
zu theuer. Sie glaubt Du müßtest Dir Kaffe selber kaufen
5auf ein halbes Jahr u. brennen lassen u. von Deinem Aufwärter
oder Magd im Hause jedesmal 1 Loth kochen lassen,
für ein Trinkgeld dieses kömmt nicht auf die Hälfte u. ist
besser. Die Schubürste mußt Du dort kaufen, und würde mehr
Postgeld kosten als dieselbe werth wäre.

10  Deine Mutter empfiehlt Dir die Boullion vorzüglich die
gebe Kraft und Nahrung. Wenn Du freie Collegien hören
kannst das thu ja und alles was Du ohne Dir auf eine andere
Art zu schaden frei kriegen kannst, nimm ja an, dieses macht
keine Schande. Meister hat in Göttingen sämtliche Collegien
15frei. — — wenn Du an dem Herrn Archivr. Clostermeier
schreibst, wie Du aus meinem vorigen Briefe sehen wirst, so
schreib ganz umständlich und schön. Er freuet sich jedesmal
wenn er nur von Leipzig hört, und behauptet es wäre die
beste universität die es gebe. Er bedauret nur das Du nicht
203 Jahre alter oder er 3 Jahr jünger wäre: nämlich wenn Du
jetzt Deine Studien vollendet hättest Dir gleich zu der Biblithekar
Stelle verhelfen wollte. Er glaubt er lebe keine
3 Jahre mehr, sonst an Empfehlung wollte er es nicht fehlen
lassen. —

25  Helwing ist hier gestern als den 17ten über Paderborn mit
Krohn u. noch mehreren nach Jena Leipzig p abgegangen.
Ich habe ihn aber nicht gesprochen. Wenn Du sonst was
nöthig hast, mußt Du schreiben, um wenn Dir die Schinken
geschickt werden, beipacken zu können. Nütze die Zeit, sonst
30vergebens rufst Du sie zurück.

  Die Mutter läßt fragen ob Du den Abendstern aus Deinem
Fenster, wie hier, auch sehen könntest?

  Jetzt von den Einzug unserer neuen Fürstinn! Es war der
12te Mai um 1½ Uhr wie sie aufs Schloß fuhr.

35  Es war ein schöner Tag und so viel Menschen daß man
auf der Straße nicht gehen konnte, besonders des Abends
bei der Inlumination, die anderswo nie besser sein kann. Die
Detmolder haben sich ausgezeichnet.

  Handschrift Auf der Grenze bei Schlangen hat das Amt Horn mit ihren
40Pferden und Beamten wo ein großer Ehrenbogen gestanden
hat. Wo das Amt Horn zu Ende war hielt das Amt Detmold

[GAA, Bd. V, S. 22]

 


mit ihren Beamten und Bauern zu Pferde und die Jägerei
aus dem ganzen Lande wo auch ein Ehrenbogen errichtet
ritten vor de

                Det d. 18ten Mai 20

 


30.

H: 1 Bl. in 20; 1S.
F: GrA
T: WBl IV 604.

S. 21, Z. 19: bedauret] beduret H
S. 21, Z. 38: ausgezeichnet.] ausgezeichnet H

S. 21, Z. 14: Meister: Siehe die Anm. zu Verweis zum Kommentar S. 19, Z. 5.
S. 21, Z. 25: Helwing: Wohl Friedrich Christian Leopold Maximilian
H. (1801—1867), Sohn des Verlagsbuchhändlers Gottlieb
Leopold H. in Lemgo, dem er 1821 in der Leitung der Meyerschen
Hofbuchhandlung nachfolgte.
S. 21, Z. 26: Krohn: Franz K., gleichfalls ein Schulkamerad Grabbes
am Detmolder Gymnasium, geb. am 14. Okt. 1799 zu Detmold,
bezog im Herbst 1819 die Universität Göttingen, um die Rechtswissenschaft
zu studieren, ging von dort nach Jena, wo er am
29. Mai 1820 inskribiert wurde, bestand am 3. Okt. 1823 sein juristisches
Examen und wurde unterm 3. Dez. desselben Jahres als
Amtsauditor beim Amte Detmold angestellt und unterm 5. Okt. 1830
zum Konsistorialsekretär ernannt. Daneben war er nach wie vor als
Anwalt beschäftigt. Eine Zeitlang ist er auch Camerarius der Stadt
Detmold gewesen, mußte aber bald (im Jan. 1848) wegen Kränklichkeit
diese Stelle aufgeben. Am 23. Dez. 1863 hat er den erbetenen
Abschied mit dem Titel Rat bekommen; am 12. Dez. 1872 ist
er gestorben. (Krohn'sche Familiennachrichten. Zsgest. von Dr. August
Krohn. St. Johann-Saarbrücken 1903. S. 39—40. Göttinger Matrikel
Nr 27365. Auskunft der Universitätsbibliothek Jena.)
S. 21, Z. 29 f.: Nütze die Zeit [usw.]: Der Sinnspruch: „Benutze
die Zeit, du rufst sie vergebens zurück.“ war an dem Mausoleum
zu lesen, das der aus Kurland stammende, 1763 nach Detmold
gekommene Fürstlich Lippische Oberst Ernst Johann Freiherr von
Schröderß in dem 1794 von der Familie Keiser angekauften Garten
auf dem Weinberge bei Detmold für sich und die Apothekerin
Marie Florentine Keiser hatte errichten lassen. Er starb am 17. Nov.
1810 in einem Alter von 80 Jahren drei Wochen und wurde neben
seiner Freundin beigesetzt. (Vgl. Ludwig Becker, „Geschichtliches
und Romantisches von der 300 Jahre alten Hofapotheke in Detmold
“ in: „Niedersachsen. Niederdeutsche Zeitschrift für Volkstum
und Heimatschutz in Wort und Bild“, Jg. 26, 1920—1921, S. 142
bis 143, mit einer Abbildung des Mausoleums auf S. 143.)