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Nr. 496, siehe GAA, Bd. VI, S. 124nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf)
Brief

35                    G. P. M.

  Hierbei eine Forts. der Hamletübersetzung. Diese alte Ausgabe
ist in mancher Art weit besser als die neuere. Sie ist
weit einfacher, weit weniger geziert. Vergleichen Sie, werden

[GAA, Bd. VI, S. 125]

 


Sie finden, daß ich auch hier streng den Vers des Sh. im
Aug hielt, die öfteren Trochäen am Anf., die Hickhackereien
in der Mitte. Das „Man“ in der bekannten Stelle habe ich
mit „Mann“ übersetzt, nicht wie Sitte mit Mensch: es folgt
5nämlich ja gleich der Gegensatz des Weibes, und Haml. denkt
dabei erst an seinen Vater (glorious), dann an den jetz.
König Dänmks (contents not me), dann als er über Güld.
Lächeln zürnt, wieder an seinen Vater. Das Wort ist im
Engl. mit großem Anfangsbuchst. geschrieben, was dem Leser
10in der Regel Mensch bedeutet, indeß ist diese shaksp. Spitzfindigkeit
(vielleicht auch das M nur zur nachdrücklichen
Accentuation des Manns) zu wohlfeil erkauft, wenn wir den
Haml. im Deutschen von seinen Vater „der Mensch“ sagen
lassen, was, bei der Gemeinheit so vieler dieser Classe, im
15Deutschen fast ein Scheltwort geworden. Entscheiden Sie. Eine
Note könnte darunter gesetzt werden. — Eines engl.
Lex. bedarf ich, der Schleg. Uebers., und
des Fleischer'schen Originals mit Noten
in The plays pp. Daß ich den Lord in Prinz umwandle
20sehen Sie. Sehen Sie aber auch, wie eben Shaksp. den Prinzen
in diesen Scenen immer nur Lord und die anderen sir nennt?
Mir ist's ein Unterschied als sagte man statt „Ewr Maj.“ zu
einem König „mein Herr.“ Indeß tröstet mich Ihr mit allen
Versmaaßen so vertrautes Ohr, und ich kann mich eben so
25gut irren, als ich früher meiner Gesundheit mit Trinken geschadet.
— Die Custoden unten auf den Seiten müssen beim
Druck fort. Ich habe sie im Manuscr. Ihrer Bequemlichkeit
wegen hingestellt. — Air, ist cas. qu. Zugluft. Den Prinzen zu
bitten aus der Luft zu gehen, hätte geheißen, den groben
30Narrn Cor.[ambis] die Thür darauf zu weisen. Sic est der
Schüttelspeer nicht. — Es würde äußerst interessant seyn, viel
Wesen machen, wenn wir diesen alten Dörfling (hameau,
hamlet) hier aufführen sähen. Wir könnten diese Aufführung
bei der Edition beurtheilen. Ich will sie gern ganz aushalten.
35— Wann darf ich Sie besuchen? Könnten Sie nicht heut
Abend an der Casse für mich eine kleine Antwort deshalb
zurücklassen, dito falls Sie fahren, die zum Haml. erbetenen
Werke mitnehmen und anschließen, so wie die anliegende
Uebersetzung und den wieder zur Vergl. angeschlossenem Originaltext?
40Haben Sie Drakes, Nares? Ich hätt' gern dieses
fleißige Geschreib über den Gevatter, besonders behuf des

[GAA, Bd. VI, S. 126]

 


Haml. — — Mein Aschenbr. ist Ihrem Wunsch gemäß nun
erlös't von unnützen doppelten Worten, wo und wie es
ging. Es muß nun unter die Haube, Hannibal, hoffentl. ein
Riese, darin angekündigt werden, und falls dann vorlaut
5geschrieen wird, Er schleunigst es mitsammt den Schreiern
zum Himmel heben, und dann zuseh'n, wer dort heimisch
ist. — — Itzo, sagt Hanno, zum Rollin.Gehorsamst
  4 Jan 1834 [richtig: 1835]. Düss.    Grabbe.

 


496.

H: 1 Bl. in 40; 2 S.
F: IW Bl. 31. (29.)

S. 125, Z. 1: Sie] sie H

S. 125, Z. 3: Das „Man“ in der bekannten Stelle [usw.]: In der
Szene mit Gilderstone und Rossencraft lautet dieses Stück des Dialogs
(S. [40] in der bei Fleischer erschienenen Ausgabe):
  „Ham. Yes faith, this great world you see contents me not,
No nor the spangled heauens, nor earth, nor sea,
No nor Man that is so glorious a creature,
Contents not me, no nor woman too, though you laugh.
  Gil. My lord, we laugh not at that.
  Ham. Why did you laugh then,
When I said, Man did not content mee?
  Gil. My Lord, we laughed, when you said, Man did not content
you.“
S. 125, Z. 18 f.: des Fleischer'schen Originals
mit Noten in The plays: Nach der, in der Anm. zu Bd. 5,
S. 18, Z. 24 f. (Verweis zum Kommentar S. 398) aufgeführten Ausgabe Gerhard Fleischers des
Jüngeren in Leipzig hatte auch der dortige Buchhändler Ernst Fleischer
eine solche herausgebracht: The Plays and poems. With notes ...
selected from the most eminent commentators, Mr. Malone's various
readings, Dr. (Samuel) Johnson's preface, a Life of the poet by (Alex
(ander) Chalmers, Shakespeare's will ... and a copious glossary. With
the alto-relievo in the front of the Shakesp. gallery .. Leipsic 1830—
1833. 2 Bde. (Katalog der Bücherei der Deutschen Shakespeare-Gesellschaft
in Weimar. Nach dem Stand vom 31. März 1951. S. 2.
Sign.: 80 A 14.) Ihr zur Seite trat noch 1833 „a new edition, in
one volume“ unter dem Titel: The Plays and poems. Accurately
printed from the text of the corrected copies, left by the late

[Bd. b6, S. 469]

 


Samuel Johnson, George Steevens, Isaac Reed, and Edmond Malone.
With notes, critical, historical, and explanatory, selected from the
most eminent commentators; Mr. Malone's various readings; Dr.
Johnson's preface; a life of the poet, by Alex. Chalmers; Shakspeare's
will, with his autograph, from the original; a chronology of
his plays; a list of the remarkable editions of his works; an inquiry
into the plays ascribed to him; some account of his various
portraits, and a copious glossary. With the alto-relievo in the front
of the Shakspeare Gallery (Pall-Mall, London), representing Shakspeare
seated between the dramatic muse and the genius of painting:
engraved by a celebrated artist. Leipzic: published by Ernest
Fleischer. An welche dieser drei Ausgaben Grabbe denkt, ist kaum
zu sagen; vielleicht an die ihm von seiner Jugend her geläufige
Gerhard Fleischers.
S. 125, Z. 26: Custoden: Blatt- oder Seitenhüter, darunter versteht
man in Schreiben und Drucken die einen Irrtum verhütenden
Hinweise auf das Folgende, namentlich das am Ende einer Seite
hinzugefügte erste Wort der folgenden oder dessen erste Silbe. Die
Einzahl ist Custos (vom lat. custos, der Hüter, Wächter).
S. 125, Z. 28: cas qu.: casu quaestionis, d. h. im vorliegenden
Falle; hier.
S. 125, Z. 28: Air, ist cas. qu. Zugluft [usw.]: Die Stelle findet
sich im Dialog zwischen Corambis (später Polonius) und Hamlet,
kurz vor dem Eintritte Gilderstones und Rossencrafts (S. [39]der
Fleischerschen Ausgabe) und lautet:
  Cor. [. . . . . . . . . . . . . . . . .]
Will you walke out of the aire my Lord?
  Ham. Into my graue.
  Cor. By the masse that's out of the aire indeed,
Very shrewd answers,
My lord I will take my leaue of you.“
  Schlegel hat übersetzt:
Polonius beyseit.
  [. . . . . . . . . . . . . . . . . .]
  Wollt ihr nicht aus der Luft gehn, Prinz?
Hamlet.
  In mein Grab?
Polonius.
  Ja, das wäre wirklich aus der Luft.“ (A.a.O. S. 205—06.)
S. 125, Z. 31: Schüttelspeer: Deutsche Übersetzung des Namens
Shakespeare.
S. 125, Z. 32: hameau: (franz.) Weiler.
S. 125, Z. 40: Drakes: Nathan Drake: „Shakespeare and his
times: including the biography of the poet; criticisms on his genius
and writings; a new chronology of his plays; a disquisition
on the object of his sonnets; and a history of the manners, customs
and amusements, superstitions, poetry, and elegant literature
of his age“ (2 Bde. London, Cadell & Davies 1817).
S. 125, Z. 40: Nares: Robert Nares: „A Glossary; or, collection
of words, phrases, names, and allusions to customs, proverbs, &c.
which have been thought to require illustration in the works of

[Bd. b6, S. 470]

 


English authors, particularly Shakespeare, and his contemporaries“
(Stralsund, Loeffler 1825).
S. 126, Z. 7: Rollin: Charles Rollin (1661—1741) schrieb u. a.
eine „Histoire ancienne des Égyptiens, des Carthaginois, des Assyriens,
des Babyloniens, des Mèdes et des Perses, des Macédoniens,
des Grecs“ in fünf Bänden (1730—38), und er begann eine „Histoire
Romaine depuis la fondation de Rome jusqu'à la bataille d'Actium:
c'est-à-dire jusqu'à la fin de la République“ (1738), die von einem
seiner Schüler, namens Jean Baptiste Louis Crevier, beendet wurde.
(Crevier legte die letzte Hand an die Bände 6—8 und redigierte
den gesamten Band 9.) In jenem Werke bildet die Geschichte der
Karthager das zweite Buch und findet sich im ersten Bande; in
diesem sind der Darstellung der drei punischen Kriege das elfte, das
dreizehnte bis zwanzigste und der dritte Paragraph des 26. Buches
gewidmet, die im zweiten und dritten Bande enthalten sind. Von
dem zweiten Werke ist noch im achtzehnten Jahrhundert eine deutsche
Übersetzung erschienen: „Römische Historie von Erbauung der
Stadt Rom, bis auf die Schlacht bey Actium oder das Ende der
Republik. Aus dem Französischen des Herrn Rollin ins Deutsche
übersetzt.“ (Th. 1—16. Leipzig, Schönermarck [u. a.] 1739—63.)