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Nr. 501, siehe GAA, Bd. VI, S. 134nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Düsseldorf) an Karl Leberecht Immermann (Düsseldorf)
Brief

                    G. P. M.

  Hierbei versprochenermaßen Etwas aus meinem Kosciusko.
Es könnte wohl in ein Journal kommen, was ich Ihnen überlasse,
denn ich brauche diese Bogen nicht mehr, und wünsche
5sie nicht zurück. Wäre die Julisache nicht eingetroffen, hätt'
ich das Ding vollendet. Sie merken aber leicht, daß der Welt
damals der Sinn zu polnisch ward und mir monarchisch blieb.
Polens Räthsel ist seine Pohlo-Aristokratie. Die fast vollendete
Beendigung des Stücks ward auch durch den Tod eines
10Bekannten, dessen Schwester (eine der ersten Damen Detmolds)
noch dazu aus meinem Hause gescheucht ward, des kurhessischen
Lieutenants Niemeier in Hanau (auf eine abscheuliche
Manier erschossen), ganz gehemmt. — Hannibal ist bald fertig.
— Verzeihen Sie das verschiedene Papier der Kosciuskoscenen.
15Meine Magd war nicht zu Hause, um anderes zu holen. —

                                
                                

  Düss. 13. Jan. 1835.

[Adresse:] Sr Wohlgeboren dem Herrn Oberlandesgerichtsrath
20Immermann.

 


501.

H: das erste Blatt (in 40, nach der alten Zählung Bl. 35) aus IW
nach Bl. 35 herausgeschnitten und nicht bekannt. In dem Bande erhalten
(als Bl. 38) die zu dem herausgeschnittenen Blatte gehörende
Adresse; diese wird man dem Briefe hinzufügen können, wiewohl
auf ihr — gegen Grabbes Gewohnheit — der Vermerk über die
Anlage fehlt.
D: TdrO S. LII—LIII, als Nr 6.

S. 134, Z. 2 f.: Hierbei versprochenermaßen etwas aus meinem
Kosciusko: Was von diesem Werke auf uns gekommen ist, hat Robert
Hallgarten im Nachlasse des Düsseldorfers Edward Hartenfels
(1810—1898) aufgefunden und im siebenten Bande des „Euphorion“

[Bd. b6, S. 484]

 


(1900), S. 554—64, veröffentlicht. Das Nähere siehe Bd 2, Verweis zum Kommentar S. 760—
761.
S. 134, Z. 8—10: Die fast vollendete Beendigung des Stücks ward
durch den Tod eines Bekannten [usw.]: Konrad Karl Theodor
N. war am 8. April 1811 als Sohn des Friedrich August N. zu
Herberhausen und der Christine Katharine verw. Kruse geb.
Wiegand aus Hannover zu Herberhausen geboren. 1832 stand er
als Lieutenant bei der 2. Eskadron des 2. kurhessischen Husaren-Regiments
Herzog von S. Meiningen, das zu jener Zeit in Hofgeismar
in Garnison lag. Bei dem Durchzug der aus ihrem Vaterlande
vertriebenen Polen kam es zu Unruhen in Hanau, weswegen der
Kommandeur Patrouillen durch die Straßen ziehen ließ. Eine solche
führte am Abend des 17. Februar Lieutenant N. Dabei kam es zu
einem Zusammenstoß mit Zivilisten. Einige Leute wurrde auseinandergejagt,
ein Fremder, der sich angeblich sträubte, verhaftet, zur
Hauptwache gebracht, von da jedoch bald wieder entlassen. Es war
ein polnischer Offizier, namens Walerian Dzwronkowski. Dieser
klagte über angeblich von den Husaren erlittene Mißhandlungen und
sandte von Frankfurt a. M. aus zwei Briefe an den Kommandeur
des Husaren-Regiments, in denen N. zum Zweikampf herausgefordert
wurde. Diese Briefe gelangten jedoch nicht in N.s Hände; dafür
kam diesem das Gerücht zu Ohren, es seien zwei Herausforderungen
an ihn ergangen, er aber habe sich geweigert zu erscheinen. Dadurch
fühlte er seine und seiner Kameraden Ehre im höchsten Grade gekränkt,
und er sah keinen anderen Ausweg, sie zu retten, als den,
seinerseits den polnischen Offizier zu fordern. Das Duell fand am
22. Februar, 7 Uhr Morgens, in einem Gehölze bei dem Oberforsthause
unweit Frankfurt statt, wobei die verabredeten Formalitäten
genau beachtet wurden. N. hatte den ersten Schuß. Er trat vor,
schoß aber nicht. Darauf trat sein Gegner vor, und dessen Schuß
traf ihn tötlich in die rechte Seite des Kopfes, so daß er sofort
leblos niederfiel. Da über das Verhalten der von N. geführten
Patrouille auch von anderer Seite Klage geführt wurde, so wurde
eine Untersuchung der Sache angeordnet, die aber mit dem Erkenntnis
endete, sie solle insbesondere wegen des Todes des Patrouillen-Führers
auf sich beruhen. (Vgl. die beiden im Staatsarchiv zu Marburg
befindlichen Aktenstücke: 1. „Berichte, Meldungen pp den Tod
des Lieutenant Niemeyer vom 2ten Husaren-Regiment betreffend
[...]“ Bestand 11. 2. „Acta betr. Conrad Niemeyer aus [Lücke]
Lieutt. im 2n Husaren Regt wegen a.) Beleidigg resp: Mißhandlg u.
Verhaftung eines Polnischen Officiers in Hanau am 17. Febr. b.
Ubersprengg u. Uberreitg einer BürgerGarde Patrouille das eod. c.).
Überfallg u. Beleidigg des Bürgers Gagoin dessen duell mit dem
Polnischen Lieutt Valerian Dzwonkosky aus Preszilidesky u. seine
Tödtung durch einen Pistolenschuß ferner: 1832.“ Bestand 14a Nr
82 — Carl Venturinis „Chronik des neunzehnten Jqahrhunderts“,
N. F. Bd 7, das Jahr 1832 enthaltend, Leipzig 1834, S. 402; W.
Junghans, „Kurze Geschichte der Stadt und des Kreises Hanau“,
Hanau, König 1887. S. 77. — Mit der Schwester kann nur Karoline
Elisabeth gemeint sein, geb. am 23. Nov. 1799 zu Herberhausen,
gest. am 13. Juli 1876 zu Schötmar. Sie hatte sich am 17. Sept. 1816
mit dem Kapitän Gottlob Wasily von Freimann oder Freymann aus

[Bd. b6, S. 485]

 


Madeburg verheiratet, und sie hat nach dessen Tode im Jahre 1830
lange Zeit in Detmold gewohnt.