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Nr. 119, siehe GAA, Bd. V, S. 143nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Christian von Meien (Detmold)
Brief

                Ewr Hochwohlgeboren

  gebe ich, da eine Veränderung der präsentirten Proceßtabelle
30mir wohl nicht gestattet wird, die von Ihnen befohlene
Erläuterung der Nummer 7 in Nachfolgendem:

ein sinnentstellender Schreibfehler ist in dieser Nummer
nicht enthalten, wohl aber mag das Material der Sache

[GAA, Bd. V, S. 144]

 


sich nicht vollkommen daraus ergeben, welches aber, da
die Proceß-Tabellen, wenigstens nach Analogie der früheren,
hierbei nur auf den Hauptpunct (fast nur auf die
Rubrik: „Gegenstand“) sich beschränkten und vor allem
5zur Controlle des formellen Proceßganges
schienen dienen zu sollen, von mir ebenfalls nur ganz kurz
angedeutet ist. Die Tabellen würden bei dem Gegentheile
gewiß sehr anschwellen.

  Dieß zu meiner Entschuldigung, nicht zur Rechtfertigung.
10

  Die qu. Sachlage ad nr. 7 ist aber diese:

Kläger hat den Streicher pto 3 rthlr. 4 gr. verklagt, welche
Schuld die Frau des Streicher, noch damals bei Klägern
durch Waarenaushebung gemacht haben soll, als sie bei
15ihren Pflegeeltern Sturhahn sich aufhielt. Kläger behauptete
in eventum auch noch, daß er mindestens darthun könne,
die Frau des Beklagten habe die Schuld späterhin, vor
Eingehung der Ehe, als eigene unternommen. Daß Kläger
infolge dieser Angaben gegen den Verklagten wegen der
20in die Ehe gebrachten Schulden der Ehefrau gerichtlich
agiren konnte, leidet laut § 12 der GGO. gar keinen
Zweifel. (Auch bei der Sache der Wittwe Meier ./. Uhmeier
ist in dieser Hinsicht durch Schuld der Wtwe Uhmeier
ein factisches Mißverständniß eingetreten, welches die Wtwe
25Meier sowohl verhindern konnte als auf einem unrich-
tigen Wege zu benutzen scheint.) Hierauf wurde Instructionstermin
auf den 28st vor. Mon. angesetzt, wobei lis
dahin contestirt ward: daß Verklagter durchaus verneinte,
seine Ehefrau habe, als sie noch bei ihren Pflegeeltern
30gewesen, für eigene Rechnung Waaren ausgehoben oder
späterhin solche Schuld übernommen. Wenn solche Waaren-Aushebung
geschehen sey, so habe sie dieß für ihre Pflegeeltern
gethan, und über die hier qu.[ästionirte] Schuld
habe Kläger an diese Pflegeeltern bereits einmal Rechnung
35ausgestellt.

  Dieß letztere gab Kläger replicando zu, behauptete
aber, es sey nur formell geschehen und könne er mit Handelsbuch,
mit Briefen pp erweisen, daß die Ehefrau Streicher
sowohl ab initio die Schuld für ihre eigene Rechnung
40contrahirt, als dieselbe überdem späterhin übernommen
habe. — Infolge dieses Instructionstermines ist der Beweis

[GAA, Bd. V, S. 145]

 


am 28st März so gestellt als in der Proceßtabelle angegeben.


  Ewr Hochwohlgeboren bitte ich nöthigenfalls diese Erläuterung
zur Proceß-Tabelle legen zu lassen, oder wenn
5Sie noch Erinnerungen hätten, mir gütigst zu bestimmen,
wann ich Sie zur Vernehmung oder Erledigung derselben
mit meinem Besuche beschweren darf.

  Da einmal hier von der Proceß-Tabelle die Rede ist,
so bemerke ich zur Untersuchung gegen den Advocaten
10Stein, daß derselbe heute mit seiner Deduction nicht eingekommen
ist, also nunmehr ex officio erkannt werden
wird. Sowohl weil die ganze Sachlage die Mittheilung ad
deducendum erlaubte und vielleicht erheischte, als auch
weil ich unter anderen im Gönner dieses theoretisch bestätigt
15fand, endlich auch um zwei Advocaten (die hier partes
sind) die Möglichkeit abzuschneiden, künftig in leeren Formalien
-Anfechtungen die Sache auszudehnen, hielt ich nach
langer Erwägung die Mittheilung ad deducendum binnen
kurzer Frist für das Sicherste und Beste.
Die Proceßtabelle ist    
wieder angebogen.    Ich verharre voll Hochachtung
Detmold den 7t Apr.    Ewr Hochwohlgeboren
        1827                        gehorsamster Grabbe.

[Adresse:] Sr Hochwohlgeboren dem Herrn RegierungsRath
25von Meien allhier.