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Nr. 21, siehe GAA, Bd. V, S. 13thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Adolph Henrich Grabbe, Dorothea Grabbe (Detmold)
Brief

10                    Handschrift Liebe Eltern!

  Ich habe ein Buch verschrieben, aber schon seit ½ Jahre,
und konnte es zurück senden wenn es kam. Ich will eine

Kritische Beleuchtung

hierüber anstellen.

15  1.) War es erlaubt ein Buch ohne das Wissen meiner Eltern
zu verschreiben? Erlaubt war es nicht, aber zu entschuldigen
ist es, weil ich fürchtete es euch zu sagen, weil es ein halb
Jahr wohl hin ist und weil ich das Geld desselben ersparen
konnte. — Nun ist die Frage übrig ob es das Buch werth ist,
20daß es verschrieben wird. — In jedem meiner Bücher kannst
Du das Lob seines Verfassers lesen. Es ist in seiner Art das
erste Buch der Welt und gilt bei Vielen mehr als die Biebel,
denn es ist das Buch der Könige und des Volks, es ist das
Buch, wovon einige behaupten daß Handschrift es ein Gott geschrieben
25habe, es sind:

die Tragödien Shakespeares,

des Verfassers des Hamlets, die schon 300 Jahr bekannt sind.
Diesen hat Deutschland seine Bildung zu verdanken, denn
sie regten zuerst Göthen den größten Deutschen auf; sie
30waren es, um welche Schiller, als er eine Stelle aus ihnen
hatte vorlesen hören nach Stuttgart reißte und von ihnen
befeuert die Räuber schrieb; deshalb kannst Du mir verzeihen,
daß ich von ihnen eingenommen bin.

  Du weist, wie nützlich es ist sich durch Nebenarbeiten auf
35Universitäten Geld zu erwerben, oder auch nach der Studentenzeit
in Ueberfluß leben zu können. — Das kannst Du nur

[GAA, Bd. V, S. 14]

 


durch Schriftstellerei, denn man Handschrift hat sogleich kein
Amt. — Ich kann aber bloß das schreiben, (außer der Jura
oder Medicin die ich vielleicht studiere) was in Shakespeares
Fach schlägt, Dramen. — Durch eine Tragödie kann man
5sich Ruhm bei Kaisern, und ein Honorar von Tausenden
erwerben und nur durch Shakespeares Tragödien kann
man lernen gute zu machen, denn er ist der erste der Welt,
wie Schiller sagt, bei dessen Stücken Weiber zu frühzeitig
geboren haben. Der Shakespeare ist aber so schwer zu verstehen,
10daß man Monate an einer Seite, wie an dem Monolog
im Hamlet: „Seyn oder nicht Seyn“ u. s. w.
studiren muß und Jahre lang, wenn man Etwas daraus
lernen will, darum wünschte ich ihn eigen zu haben. — Im
Englischen habe ich einen Band von ihn, und daraus
15kann ich englisch lernen.

  Sieh! so nöthig habe ich ihn! — Du meinst es koste Dir viel
Geld ihn zu verschreiben. — Das ist so nicht. — Handschrift Sieh ich
habe gar keine Bücher gekriegt! Wir mußten Schulbücher
haben! Ich habe sie geliehen, alte Ausgaben gebraucht um dich
20nicht zu belästigen! — Meinst Du es mache Spaß mich mit
den großen 400jährigen pergamentenen Büchern zu schleppen.

  Ich mußte einen Atlas haben (beim Rektor) von der
Welt vor Christus. — Alle haben ihn. — Ich nicht — Ich sehe
mit Andren aus und mußte einzelne Charten leihen — Der
25Atlas kostet 2 rthlr. — Ich habe sie Dir erspart. Frag nach
ob's nicht so ist. Ich mußte bei Köhler haben: Nitsch alte
Geographie, kostet 1 rthlr. — ich habe ihn erspart,
und mit Andren ausgesehen. Ich mußte haben: Cicerode
legibus bei Moebius 24 gr. — ich habe eine alte Ausgabe
30geliehen, habe Dir nie Etwas davon gesagt. — Ich mußte
haben bei Möbius: Terentii Com: 1 rthlr. 12 gr. —
Ich sah mit einem andren aus. Cicero de senectute
(12 gr.) bei Möbius habe ich geliehen, eben so wie Steins
Geographie (24 gr.) bei Preuß. — Sieh diese Bücher
35habe ich Dir erspart, mit Mühe u. Verdruß und hättest Du sie
mir angeschafft so hättest Du 6 rthlr. bezahlen müssen. —
Denke Dir du hättest die 6 Rthlr. zurückgelegt und wolltest
sie nun für die neun Bände vom Shakespeare anwenden.
— Doch dies verlange ich nicht einmal. — Erstlich verspreche
40ich Dir heilig dies Jahr kein Buch von Dir mehr zu
fordern. — Wenn die Meiersche Buchhandlung jetzt das

[GAA, Bd. V, S. 15]

 


Buch schickt, so erhalten wir erst Ostern 1819 oder ein
ganzes Jahr später Handschrift die Rechnung von Lemgo und brauchen
dann erst zu bezahlen. — Nun erhalte ich jeden Tag 1 Groschen
oder auch wohl einen Gutengroschen. Diesen gieb mir
5noch bis diesen Ostern, denn das will ich sparen, wenn ich
ihn brauchte; von diesen Ostern an bis Ostern 1819 will ich
kein Taschengeld haben. Das macht über 10 Rthlr. — Hiemit
kannst Du das Buch bezahlen, ohne mehr Geld wie sonst
auszugeben über ein Jahr.

10  Also schreib hin nach Lemgo, sie solltens schicken, du kannst
es aber auch abbestellen. — Ich möchte es so gern haben,
es ist mir dienlich und so vieles Andere. Willst du es abbestellen
oder verschreiben? —

                Dein
15                        Sohn.

  Die Schuld ist abbestellt. Zeig ja! diesen Brief Niemand,
Niemand!

  [Detmold, Februar 1818.]

 

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  Ebene schließenChronologisch
   
1818Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 22, 03. März 1818
1820Adolph Henrich Grabbe 
1822Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 42, 01. März 1822 — Gotthelf Heinrich Jacobi Nr. 49, 21. November 1822 — Ludwig Tieck Nr. 51, 06. Dezember 1822 — Adolph Henrich Grabbe 
1823Otto Carl August Ludwig Höpffner Nr. 62, 04. April 1823 — freunde Nr. 65, 24. April 1823 — Ludwig Christian Gustorf  — Adolph Henrich Grabbe  — Karl Köchy Nr. 73, 24. Juli 1823 — Witwe Lohse Nr. 79, 23. November 1823
1824Karl Köchy Nr. 82, 16. Februar 1824 — Wilhelm Hermann Claepius Nr. 84, 01. März 1824 — Examinationskommission Nr. 86, 28. März 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 87, 02. Juni 1824
1826Fürstlich Lippische Regierung Nr. 111, 14. November 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier 
1827Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 137, 07. November 1827 — Fürstlich Lippische Regierung 
1828Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 154, 23. Januar 1828 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier  — Johann Karl August Kestner Nr. 178, 28. März 1828 — Louise Clostermeier 
1829Louise Christiane Clostermeier Nr. 233, 13. Juli 1829 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 252, 22. Dezember 1829
1831Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 298, 14. April 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier Nr. 348, 29. Dezember 1831
1832Fürstlich Lippische Regierung  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 365, 27. Juli 1832
1833Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 370, 20. Januar 1833 — Wilhelm Arnold Eschenburg Nr. 378, 16. März 1833 — Johann Wilhelm von Hoffmann Nr. 379, 17. März 1833 — Louise Christiane Grabbe Nr. 387, 26. April 1833 — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 423, 30. Januar 1834 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Grabbe Nr. 476, 13. November 1834 — Karl Leberecht Immermann Nr. 481, 21. November 1834
1835Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann  — Carl Georg Schreiner Nr. 648, 27. August 1835
1836Karl Leberecht Immermann Nr. 687, 25. Februar 1836 — Carl Georg Schreiner  — Moritz Leopold Petri Nr. 700, 05. May 1836 — Louise Christiane Grabbe  — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 728, 07. September 1836
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