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Nr. 77, siehe GAA, Bd. V, S. 94nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Ludwig Christian Gustorf (Berlin)
Brief

[Detmold, etwa September 1823.]
        O mein Gustorff!

  Bin von Berlin über Dresden, Leipzig, Braunschweig, wo
mich Köchy ein wenig wieder emporrichtete, nach dem tristen
5Neste gestürzt, in welchem ich jetzt sitze, und dessen Namen
ich vor Ingrimm kaum ausschreiben kann, habe aber noch
nicht den Hals gebrochen. Kann ich hier nun durchaus nicht
länger ausdauern und will wieder fort. Das Klügste scheint
mir, daß ich mich nach Berlin wende, und dort müßte ja der
10Teufel drin stecken, wenn ich mit meinen 4 Stücken (einem
Lust- Trauer- sentimentalen- und historischen) in der ersten
norddeutschen Stadt keine Gönner und keinen Erwerb finden
könnte. Auch bin ich gewillet, meine übrigen Hülfsquellen,
d. h. die innern, denn äußere habe ich höchstens noch ½, als
15Abschreiberei, wo mir Robert oder Hundrich vielleicht Kunden
schaffen könnten, ferner meine Fertigkeit im Verfertigen
kleiner Aufsätze, piquanter Recensionen, historischer Abhandlungen
u.s.w. für alle möglichen Journale, wobei mir meine
Verbindung mit Tieck, Briefe von Köchy ect vielen Nutzen
20schaffen würden, ferner meine sämmtliche Juristerei, wofern
es dazu Gelegenheit gibt, ferne allen müllerschen Ideen, alles
was ich habe, sprizen zu lassen. Offenherzig, den Zeitungsschreibern
muß ich, wie mir deucht, wie ein gerufenes Stichwort
vorkommen; sie haben niemals einen Menschen wie ich nöthiger
25gehabt. Daß ich, seit meine beiden neuen Thiere, der
Sulla und die Nannette fertig geworden sind, und da ich mich
durch Tieck wohl an Wolff und Raumer, von dem er selbst
mit mir sprach, wenden kann, in Berlin weit besser auftreten
werde, als vorher, leidet keinen Zweifel. In diesem Detmold,
30wo ich abgeschnitten von aller Litteratur, Phantasie, Freunden
und Vernunft bin, stehe ich (Dir in's Ohr gesagt) am
Rande des Verderbens. Ich muß fort, und wenn ich Hundrichs
Bedienter werden sollte, und ich muß emporkommen, muß,
werde und soll emporkommen, wenn ich nur am Leben bleibe.
35Antworte mir bald, ja wenn's Dir gut scheint, so sprich mit
meinen Bekannten über mich, zeig ihnen selbst, mit Ausnahme
der Zeilen vom „Rande des Verderbens“ und „Hundrichs Bedienten
“ diesen Brief — wenigstens verschaffen sie mir vielleicht
Abschreiberei oder die hundrichische Bedientenstelle. Die
40Hauptsache wäre, daß ich fürerst eine ungeheuer billige Stube

[GAA, Bd. V, S. 95]

 


fände oder mit Einem — vielleicht mit Dir — zusammen
wohnte. Apropos! das neue Theater? Vielleicht auch da was
zu machen. Tieck, über den ich gern mit Dir sprechen möchte,
will meine Nanette herausgeben, und mir das Honorar dafür
5übermachen. Donner! nicht verzagt! Bald, bald, bald, bald
antworte mir,
  (Diesen Brief sende ich durch Köchy über    Deinem
/ Braunschweig.) (Könnten Declamatorien geben.)    
   Grabbe.
(Adresse: Chr. Grabbe in Detmold.)    

  Vielleicht wende ich mich direct an den Kronprinzen und
an den preußischen Staat, schaff mir nur ein Logis und sprich
mit Gubiz, ob er mir will Aufsätze bezahlen.
  Mein Sulla und meine Nannete sind bei Gott recht tüchtige
15Thiere.

 

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  Ebene schließenChronologisch
   
1818Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 22, 03. März 1818
1820Adolph Henrich Grabbe 
1822Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 42, 01. März 1822 — Adolph Henrich Grabbe  — Gotthelf Heinrich Jacobi Nr. 49, 21. November 1822 — Ludwig Tieck Nr. 51, 06. Dezember 1822
1823Adolph Henrich Grabbe  — Otto Carl August Ludwig Höpffner Nr. 62, 04. April 1823 — freunde Nr. 65, 24. April 1823 — Ludwig Christian Gustorf  — Karl Köchy Nr. 73, 24. Juli 1823 — Witwe Lohse Nr. 79, 23. November 1823
1824Karl Köchy Nr. 82, 16. Februar 1824 — Wilhelm Hermann Claepius Nr. 84, 01. März 1824 — Examinationskommission Nr. 86, 28. März 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 87, 02. Juni 1824
1826Fürstlich Lippische Regierung Nr. 111, 14. November 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier 
1827Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 137, 07. November 1827 — Fürstlich Lippische Regierung 
1828Fürstlich Lippische Regierung  — Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 154, 23. Januar 1828 — Louise Clostermeier  — Johann Karl August Kestner Nr. 178, 28. März 1828 — Louise Christiane Clostermeier 
1829Louise Christiane Clostermeier Nr. 233, 13. Juli 1829 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 252, 22. Dezember 1829
1831Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 298, 14. April 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier Nr. 348, 29. Dezember 1831
1832Fürstlich Lippische Regierung  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 365, 27. Juli 1832
1833Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 370, 20. Januar 1833 — Wilhelm Arnold Eschenburg Nr. 378, 16. März 1833 — Johann Wilhelm von Hoffmann Nr. 379, 17. März 1833 — Louise Christiane Grabbe Nr. 387, 26. April 1833 — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 423, 30. Januar 1834 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Grabbe Nr. 476, 13. November 1834 — Karl Leberecht Immermann Nr. 481, 21. November 1834
1835Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann  — Carl Georg Schreiner Nr. 648, 27. August 1835
1836Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann Nr. 687, 25. Februar 1836 — Moritz Leopold Petri Nr. 700, 05. May 1836 — Carl Georg Schreiner  — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 728, 07. September 1836
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