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Nr. 264, siehe GAA, Bd. V, S. 299thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Karl Gottfried Theodor Winkler (Dresden)
Brief

        Handschrift Hochgeehrtester Herr Hofrath!

  Für Ihr gütiges Schreiben meinen Dank. Auch Hrn. Böttiger
bitte ich Gruß und Wunsch zur Heilung von mir zu übermachen.
— Tieck —? Nein, ich glaube, er ist mir nicht ganz
25hold mehr. Ich war ihm früher wohl zu eigensinnig. Gott hat
mich aber gebessert, oder ich selbst.

  Mein zerfezter Arm heilt doch jetzt etwas. Ich behalte ihn
doch, wenn auch vielleicht gelähmt. — Lyrisches oder Erzählendes
werde ich schwerlich der Abendzeitung liefern können,
30da es bei mir andere Natur geworden, alle meine Kräfte auf
Einen Punct immer zu richten, und dieser Punct ist grade jetzt
das Drama. Lieber Handschrift ein Herkules als 1_000_000 Lilliputer.

  Und nun ein Brief beian, vom Schauspieler Pichler junior.
Es ist meine Passion, Leuten, die sich mit Unrecht von mir
35beleidigt glauben, jede Gefälligkeit zu thun. Pichlers Vater
glaubte es einstmals. Sie sind, wie ich glaube, zugleich Secretaire
des Königl. Theaters, oder haben doch sonst Einfluß
auf dasselbe. Pichler jun. bittet mich, den eingeschlossenen Brief
an Sie zu besorgen. Können Sie ihm helfen, bitte ich, es zu

[GAA, Bd. V, S. 300]

 


thun. Handschrift Er ist ein tüchtiger Komiker, und dabei auch in ernsthaften
Rollen, sobald sie — ich möchte sagen etwas Portraitmäßiges
haben — recht brav. Sein Shylock ist der reine Devrientsche,
was in Dresden, wo Werdy ihn ganz anders als
5Devrient spielt, vielleicht zur Abwechslung gefällt. Recht befriedigt
hat mich noch nie ein Schauspieler, weder Eßlair noch
Devrient, darum ist mein Lob eines Einzelnen dieser Classe
gewiß unverdächtig.
   Mit Hochachtung und Liebe
Erhalte ich wohl zwei    Ewr Wohlgeboren
Zeilen Antwort    
wegen Pichler?    gehorsamster Grabbe,
Darf ich fragen ob die    der ein schlechter Briefzuma-
Notiz des Lortzing,    cher (!) ist.
wegen der Jagd eingerückt ist?    

  Detmold d. 23st. März 1830