Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
Nr. 421, siehe GAA, Bd. VI, S. 49nothumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Fürst Leopold zur Lippe II. (Detmold)
Brief

                Durchlauchtigster Fürst!
35              Gnädigster Fürst und Herr!

  Dieses Blatt leg' ich unmittelbar an das Herz Ewr Hochfürstlichen

[GAA, Bd. VI, S. 50]

 


Durchlaucht, und wage das so eher als ich Beweise
früherer Gnade besitze.

  Der Auditeur ist ein ehrenvoller Posten, aber seit dem
Marsch nach Luxemburg sind seine Geschäfte überschwänglich.

5  Meine Dichtungen, die dem Lande und mir nicht zur Unehre
gereichen, die überall fast für die rechtmäßigen Fürsten glühen
(selbst der wilde Don Juan sagt: „König und Ruhm und
Vaterland und Ehre“), mit denen ich nützlicher wirken kann,
als mit dem größten Geschäftsfleiß, habe ich seitdem aufgeben
10 müssen. Und es treibt mich ein innerer Drang doch
so sehr immer wieder nach den geistigen Gebirgen, wo die
Quellen der Poesie rinnen.

  Diese Dichterarbeiten brachten mir jährlich 800 rthlr. ein,
die Advocatur, welche ich ebenfalls meist aufgeben mußte,
15500 rthlr. Die Stelle des Auditeurs bringt mir dagegen nur
216 rthlr. ed. M., und die Sporteln, die jetzt keine 100 rthlr.
betragen, ein. Und letztere nehme ich nur da, wo ich eben
so viel als sie betragen, ausgelegt habe, oder wo Unverschämtheit
mich erbittert. Was konnte ich nicht bei'm Ausmarsch
20nach Luxemburg verdienen, und zwar rechtlich? Ge-
schenkt habe ich, so daß mir Vorwürfe daraus gemacht
sind.

  Nun ist mein Vater todt, meine Mutter, die zwar eine
gnädigst bewilligte Pension von 40 rthlrn. besitzt, erhält von
25mir monatlich resp. 6 — 10 rthl., indem sie wegen ihres
Alters deren bedarf, meine Frau erhielt früher meine gesammte
Gage, aber seit Anfang dieses Jahres, wo mir alles Nebenverdienst
abgeht, kann ich das nicht mehr geben, und sie muß
sich einstweilen mit den Zinsen ihrer in die Ehe gebrachten
30Capitalien begnügen.

  Deshalb Durchlauchtigster Fürst! bitte ich, kühn im Vertrauen
auf ein fürstlich schlagendes Herz, retten Sie einen
Dichter, der in Geschäfts- und Familiensorgen unterzugehen
Gefahr läuft. Schon mehrmals ist in Zeitungen die Gnade
35anerkannt worden, mit welcher Höchstdieselben mich zum
Auditeur beriefen. Aber wirkt es für Enkel- und Enkelskinder
nicht besser, wenn ich ihnen ewige Monumente hinsetze,
statt mich Tag für Tag in Kleinigkeiten (zum Beispiel Schuldfoderungen
um 6 mgr.) und beengenden Verhältnissen (von
40denen ich nur sagen darf: ich bin besser als der Ruf) hinquälen
zu müssen?

[GAA, Bd. VI, S. 51]

 


  Durchlauchtigster Fürst: ich bitte um Erlaubniß, daß meine
jetzt schon fertigen und meine künftigen Werke Höchstihren
Namen in der Widmung vorantragen dürfen, und mir dabei
zu gestatten, hier oder an den Ufern des Main oder des
5Rhein zu wohnen, und damit ich nicht von den Kauf- und
Verkauf-Ideen einiger Buchhändler abhänge, auch sicher meine
Mutter unterstützen kann, mir unter der Bedingung, jährlich
über meine Bestrebungen Rechenschaft abzulegen, einige 100
rthlr. jährlich gnädigst zu bewilligen.

10  Goethe, Schiller, Jean Paul fanden gleiche Beschützer, und
wurden durch sie vor den Stürmen des Lebens und der Geschäfte
geschützt. Sie wären ohne solchen Schutz sicher verkrüppelt,
und Deutschland dazu, denn ohne diese Heroen
(welchen ich mich nicht gleichstellen, aber nähern will) hätte
15Deutschland nie die geistige Einheit gefunden, welche jetzt
alle Umtriebe von außen wie Spinnwebe zerreißt.

  Der Landmann wie der Rath sieht zuletzt doch nur auf
seinen Fürsten. Er ist es, an den alles sich kettet. Darum,
Durchlauchtigster Fürst, bitte ich um eine kleine directe
20Antwort auf diesen wagnißvollen Brief. Möchte sie günstig
seyn!

  Und daß ich meinem Nachfolger die Auditeursachen in
möglichster Ordnung überliefern werde (sollte ich auch ¼ Jahr
daran arbeiten, denn sie sind sehr verwickelt) versprech' ich.

25                    Mein Fürst!
            Durchlauchtigster Fürst und Herr!
            Ewr Hochfürstlichen Durchlaucht
unterthänigster Grabbe
/ (Auditeur).

 

Ebene schließenBriefauswahl
 Ebene öffnenBriefe von Christian Dietrich Grabbe
 Ebene schließenBriefe an Christian Dietrich Grabbe
  Ebene öffnenNach Absendern
  Ebene schließenChronologisch
   
1818Meyersche Hofbuchhandlung Nr. 22, 03. März 1818
1820Adolph Henrich Grabbe 
1822Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 42, 01. März 1822 — Gotthelf Heinrich Jacobi Nr. 49, 21. November 1822 — Ludwig Tieck Nr. 51, 06. Dezember 1822 — Adolph Henrich Grabbe 
1823Otto Carl August Ludwig Höpffner Nr. 62, 04. April 1823 — freunde Nr. 65, 24. April 1823 — Ludwig Christian Gustorf  — Adolph Henrich Grabbe  — Karl Köchy Nr. 73, 24. Juli 1823 — Witwe Lohse Nr. 79, 23. November 1823
1824Karl Köchy Nr. 82, 16. Februar 1824 — Wilhelm Hermann Claepius Nr. 84, 01. März 1824 — Examinationskommission Nr. 86, 28. März 1824 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 87, 02. Juni 1824
1826Fürstlich Lippische Regierung Nr. 111, 14. November 1826 — Christian Gottlieb Clostermeier 
1827Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 137, 07. November 1827 — Fürstlich Lippische Regierung 
1828Fürstlich Lippische Regierung  — Christian Gottlieb Clostermeier Nr. 154, 23. Januar 1828 — Louise Christiane Clostermeier  — Johann Karl August Kestner Nr. 178, 28. März 1828 — Louise Clostermeier 
1829Louise Christiane Clostermeier Nr. 233, 13. Juli 1829 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 252, 22. Dezember 1829
1831Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 298, 14. April 1831 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Clostermeier Nr. 348, 29. Dezember 1831
1832Fürstlich Lippische Regierung  — Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 365, 27. Juli 1832
1833Secondelieutenant Carl Wilhelm Runnenberg Nr. 370, 20. Januar 1833 — Wilhelm Arnold Eschenburg Nr. 378, 16. März 1833 — Johann Wilhelm von Hoffmann Nr. 379, 17. März 1833 — Louise Christiane Grabbe Nr. 387, 26. April 1833 — Fürstlich Lippische Regierung 
1834Fürst Leopold zur Lippe II. Nr. 423, 30. Januar 1834 — Fürstlich Lippische Regierung  — Louise Christiane Grabbe Nr. 476, 13. November 1834 — Karl Leberecht Immermann Nr. 481, 21. November 1834
1835Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann  — Carl Georg Schreiner Nr. 648, 27. August 1835
1836Karl Leberecht Immermann Nr. 687, 25. Februar 1836 — Carl Georg Schreiner  — Moritz Leopold Petri Nr. 700, 05. May 1836 — Louise Christiane Grabbe  — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 728, 07. September 1836
 Ebene öffnenBriefe über Christian Dietrich Grabbe
 Ebene öffnenBriefe nach der Göttinger Akademie Ausgabe
 Ebene öffnenNeue Briefe