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Nr. 353, siehe GAA, Bd. V, S. 368thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Theodor von Kobbe (Oldenburg)
Brief

Handschrift Geehrtester Herr!

10  Ich danke für Ihren Brief. — Verzeihen Sie meine flüchtige
Antwort auf Schreibpapier. Ich schreibe sie während Untersuchung
angeblich dienstuntauglicher Militairs, und kann, da
meine Stube von ihnen belagert ist, Niemand nach Briefpapier
aussenden.

15  Meine Poesien sind alle flüchtig geschrieben, und nicht so
gut als Sie wollen. Mein ansprechendstes Werk muß der
Barbarossa seyn. Damals schien mir die Sonne des Glücks, —
seit zwei Jahren aber nichts als Geschäfte, Undankbarkeit,
Armbruch, alle drei Wochen infolge früheren wüsten Lebens
20einen mich immer mehr ermattenden Krankheitsangriff, seit
7 Monaten, wo ich, um ordentlicher zu werden, mich häuslich
ketten wollte, eine angeblich vor meiner Geistesgröße von hier
entwichene Braut, an der ich noch hänge, und wieder eine
andere, die ich wohl schätze, aber an der ich nicht hänge, sie
25jedoch an mich, das alles muß anders werden oder in diesem
Jahre Handschrift so oder so endigen.

  Die Zeit und ihre Trompeter, die Poeten, haben jetzt etwas
Krampfhaftes an sich. Niemand benutzt sein Talent recht.
Bruchstücke von vielen einzelnen Bruchstücksmenschen sind da,
30aber Keiner, der sie im Drama oder Epos zusammenfaß't.
Wahrscheinlich kommt aber doch einmal der Messias, der
diesen Jammer im Spiegel der Kunst verklärt. Wie ist's mit
unseren berühmten Tagsautoren? Haben sie Muth? Haben sie
Lebensfrische? Kennen sie die Welt? Geldjuden und feige
35— — — sind sie zum Theil. — Ich kenne einige.

[GAA, Bd. V, S. 369]

 


  Werfen Sie sich mir nicht an den Hals. Meine Person
würde Sie schwerlich ansprechen. Mein bester Freund findet
mich entweder wüst und wild, oder stumm und langweilig,
oder in Geschäftslaune, und dabei stets nachlässig im Betragen.
5Meine Blüthenstunden sind nicht mehr. Ich habe durchgelebt,
und lache, obgleich ich keine Feder mehr ansetze, über die in
meinen früheren Sachen bewiesene schlechte Menschenkenntniß.

  Handschrift Lebe ich so lange, so reise ich vielleicht nächsten Sommer
auf einige Tage nach Hamburg. Ich glaube aber es kommt
10auch zu dem „vielleicht“ nicht, — sonst könnten wir uns da
sprechen.

Ich bin hochachtungsvoll
     Ewr Hochwohlgeboren
                 gehorsamer
Detmold, den 10t Febr.    Grabbe
    1832.    

  [Adresse:] Handschrift Sr Hochwohlgeboren dem Herrn Landgerichtsassessor
Theodor von Kobbe in Oldenburg. Frei.

 

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1812Adolph Henrich Grabbe 
1814Adolph Henrich Grabbe 
1815Adolph Henrich Grabbe Nr. 7, 28. Februar 1815
1817Adolph Henrich Grabbe Nr. 15, 06. August 1817
1818Adolph Henrich Grabbe Nr. 16, 01. Februar 1818 — Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 18, 07. Februar 1818 — Fürstin Paulina zur Lippe Nr. 17, 07. Februar 1818
1819Adolph Henrich Grabbe Nr. 26, 04. May 1819
1820Fürstlich Lippisches Konsistorium Nr. 28, 01. April 1820
1824Fürstlich Lippische Regierung Nr. 83, 17. Februar 1824
1826Christian Gottlieb Clostermeier  — Christian von Meien  — Fürstlich Lippische Regierung 
1827Georg Ferdinand Kettembeil Nr. 120, 28. April 1827
1828Christian von Meien Nr. 145, 09. Januar 1828 — Fürstlich Lippisches Militärgericht 
1829Christian von Meien Nr. 251, 22. Dezember 1829
1831Wilhelm Christian Ludwig Stedtfeld Nr. 303, 10. May 1831 — Fürstlich Lippische Regierung Nr. 307, 17. May 1831 — Freimeister F. Brauns Nr. 308, 24. May 1831
1833Catharine Sagel Nr. 381, 25. März 1833 — Magistrat Nr. 393, 30. May 1833 — Henriette Kehde Nr. 401, 25. Juni 1833 — Fürstlich Lippische Regierung  — Friedrich Althof Nr. 408, 12. Juli 1833 — Wilhelm Piderit Nr. 412, 10. Oktober 1833 — Ludwig Rötteken Nr. 414, 14. Oktober 1833
1834Obristleutnant Friedrich Adolph Böger  — Wilhelm Arnold Eschenburg  — Christian von Meien  — Fürstlich Lippische Regierung  — Karl Friedrich Simon Groskopf Nr. 456, 28. April 1834 — Heinrich Christian Albrecht Clemen Nr. 489, 13. Dezember 1834
1835Karl Leberecht Immermann  — Carl Georg Schreiner  — Louise Christiane Grabbe 
1836Jakob Stang  — Louise Christiane Grabbe  — Karl Leberecht Immermann Nr. 682, 17. Februar 1836
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