Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
GAA, Bd. IV, S. 434 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. IV, S. 434]

 


  Die zweimalige Verwendung dieser Anekdote ist möglicherweise
durch die Lektüre von August Wilhelm von Schlegels Vorlesungen
„Ueber dramatische Kunst und Litteratur“ angeregt; sie findet sich
in der zwölften, über Shakespeare handelnden Vorlesung. (Th. 3,
2. Ausg., Heidelberg 1817, S. 51.)
Nachwort

  Verwunderlich wäre es gewesen, wenn Grabbe seine Neigung
zur Kritik nicht auch an den theatralischen Aufführungen
der Pichlerschen Truppe geübt hätte. Unstreitig war es ihm
dabei auch um die Sache zu tun, hatte er die ehrliche Absicht,
mit der Schärfe seiner Kritik die Leistungen der Schauspieler
und Schauspielerinnen zu heben und den Geschmack
des Publikums zu läutern. Daß es dabei ihm, den jahrelanger
Besuch großstädtischer Theater verwöhnt hatte, kaum möglich
war, für die Darbietungen der kleinen Residenz den gerechten
Maßstab zu finden, ist leicht einzusehen. Bei der Beurteilung
dieser Korrespondenzen wird man ferner berücksichtigen müssen,
daß man den auf künstlerischem Gebiete selbst schaffenden
Persönlichkeiten nur ausnahmsweise die Fähigkeit zugesprochen
hat, objektive Kunstrichter zu sein, daß schon in der Abhängigkeit
des schöpferischen Menschen von seinen labilen
und leicht von einem Extrem ins andere umschlagenden Stimmungen
eine Erklärung für die Schwankungen seiner kritischen
Haltung und die Ungleichmäßigkeit seiner Bewertung gesucht
werden muß.

  Wie schon bei der Abfassung der Abhandlung über die
„Shakspearo-Manie“, so verbinden sich auch hier persönliche
Beweggründe mit den sachlichen. Im Verweis zum Text Briefe an Kettembeil
vom 12. Juli 1827 werden sie mit aller Deutlichkeit dargelegt.
„Freund,“ so heißt es dort, „noch eins, weswegen mir der
Druck meiner Werke wichtig gewesen, — ein triftiger Mit-Beweggrund.
Er wird mir und eo ipso Dir künftig nützen.
Unser Fürst (Lippe hat jetzt mehr Einwohner wie Weimar
zu Goethes ersten Zeiten) ist ein großer Theaterfreund. Er
hat die erste Gesellschaft Westfalens, die Pichler'sche, dergestalt
an Detmold fixiert, daß sie die meiste Zeit hier
bleibt und im Auslande (in Münster) Nachschüsse erhält.
Es ist ein großes Komödienhaus hier erbaut worden. Die
Geschichte kostet an Zuschüssen jährlich gewiß 30—40000