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GAA, Bd. I, S. 161 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. I, S. 161]

 


Cäcilia tritt an den Tisch Hier find ich Brot und Wein!
Erstdruck Komm Vater! setz dich nieder und
Erquicke dich!
Handschrift Skiold Weswegen geht dein Atem so
5Entsetzlich schnell?
Cäcilia Vor Freude, daß ich uns
Gerettet sehe! Beiseit Weh mir!
Skiold Als wir aus
Dem Lager gingen, rötete
10Ein heißes Fieber deine Wangen!
Cäcilia Besorge nichts! Das Fieber hat
Sich unterwegs gelegt! Sieh, meine Handschrift Wangen
Sind wieder weiß!
Skiold Ja! — weiß wie Leichen!
15Cäcilia Pah! Leichen! wer wird denn auch stets
Von Leichen sprechen! Heute nacht beginnt
Der erste Mai! bald ist es Frühling! bald
Erstdruck Verjüngt sich die Natur! bald wirst du
Die Blumen wieder sehn!
20Skiold Wohl werde ich
Bald Blumen sehn, — auf deinem Grabe!
Cäcilia scherzend Grabe! Hier
Handschrift Ist goldner Wein! Erinnerst du dich noch
An deinen alten Trinkspruch?
25„Pflücket die Rose, eh sie verblüht,
„Genießet das Leben, bevor es entflieht!“
Wein einschenkend
Ich trinke dir Gesundheit!
Skiold Du edle Trösterin! Weh, wehe, wenn
30Ich dich verlöre!
Cäcilia Da verlörst du auch
Was Rechtes! ein gebrechlich Weib, das dir
Handschrift Und sich nicht nützet! Der Verlust
Wär zu verschmerzen!
35Skiold Nimmer, nimmer würd
Ich ihn verschmerzen, teures Kind!
Erstdruck Cäcilia beiseit Dann wehe dir! Laut
Du weinest? Weine nicht! Ich fühl mich stark,
Und lange hoff ich noch zu leben! —
40— Du trinkst ja nichts! Genieß
Doch etwas! Speis und Trank stärkt wunderbar!