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[GAA, Bd. I, S. 620]

 


sind hier deutlich erkannt. Romantischer Einfluß zeigt sich im
wesentlichen nur an äußeren Merkmalen: der Betonung des Land-
schaftlichen, den Tönen der Harfe und Laute, die durch diese
Werke erklingen, der Vorliebe für bestimmte Länder (Italien und
Spanien), der Wahl bestimmter Motive (Schlösser im Mondscheine,
Sonnenuntergänge, Anknüpfung der Handlung an ein Bild), der
Abfassung von Künstler-Novellen. In die Romantik weist auch
die Vermischung von Traumlandschaft und Wirklichkeit. Dagegen
sind die Novellen nach ihrem inneren Wesen, mit der schwär-
merischen Liebe, um die in dieser Welt sich alles zu drehen scheint,
mit der Flut von Tränen, die immer wieder vergossen wird,
Tränen des Schmerzes, fast noch mehr aber der Rührung und
Ergriffenheit, mit den gebildeten Gesprächen und seelenvollen Un-
terhaltungen, die in ihnen geführt werden, mit dem Bedürfnis ihrer
Gestalten, alles, was ihr Herz bewegt an Freude und Kummer,
an Hoffnungen und Enttäuschungen, einer verwandten schönen
Seele zu bekennen, durchaus Nachfahren des empfindsamen Ro-
mans. Dessen edlen, aber blassen Figuren begegnet man hier wieder,
nur daß sie, kaum auf Grund eigener Beobachtungen gestaltet,
fast noch mehr der festen Kontur entbehren. Den Geschöpfen
ihrer Phantasie Lebensnähe und -wärme zu verleihen, war der
weltfremden Dichterin versagt. Darum fehlt es ihren Novellen
letztlich an Lebenswahrheit. Zu dem Besten, was sie zu geben
hatte, gehören ihre Landschaftsschilderungen. Denn sie besaß nicht
nur die Empfänglichkeit für den Reiz einer Landschaft, sondern
auch die Fähigkeit, deren eigentümliche Stimmung wiederzugeben.
(Vgl. Marie Franzen, geb. Heine, „Landschaft und Menschen in
den Novellen Louise Brachmanns“, Halle-Wittenberg, Phil. Diss.
v. 20. Juli 1947 [Maschinenschrift].) Wolfgang Menzel verteidigt
sie. Denn ihr Schmerz sei ein ursprünglicher und echter; darum
seien „viele ihrer lyrischen Gedichte von wahrer Schönheit, und
um so eigenthümlicher, als sich in ihrem Schmerz die Weib-
lichkeit nie“ verleugne und sich selbst in ihrer Verzweiflung noch
eine hingebende Zärtlichkeit ausspreche. („Die deutsche Literatur“,
2., verm. Aufl., Th. 4, Stuttgart, Hallberger 1836, S. 38—39.)
Ihre „Auserlesenen Dichtungen“ sind in sechs Bänden von 1824
bis 1826 in der Weygand'schen Buchhandlung zu Leipzig er-
schienen.
Erläuterungen
zu den erst in H 2 erscheinenden Namen.
S. 577, Z. 11—10 v. u.: wofern mir der Herzog von Angouleme
[ usw. ]: Louis Antoine de Bourbon, Herzog von Angoulême (1775
bis 1844) war Führer der französischen Armee, die im Jahre 1823
in Spanien intervenierte und die durch die siegreiche liberale Re-
volution von 1820 beseitigte absolutistische Herrschaft Ferdinands
VII. wiederherstellte.
Verweis zum Text S.579, Z.5: Glittscher-Gasse: Später Pleißen-Gasse, zuletzt Wäch-
ter-Straße.