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[GAA, Bd. V, S. 93]

 


daß ich in keiner größern Stadt, sondern in einer Gegend
geboren bin, wo man einen gebildeten Menschen für einen
verschlechterten Mastochsen hält. — Ich fürchte, ich fürchte,
daß Sie, theuerster Herr, es bereuen, jemals einige Theilnahme
5für mich geäußert zu haben, weil ich Sie mit Handschrift diesen Erzählungen
meiner Leiden beschwere. Ich bitte Sie aber, sich
wenigstens um mich keine Mühe zu geben; höchstens ersuche
ich Sie, wenn Sie irgend eine theatralische, juristische, schriftstellerische
oder abschreiberische Carriere kennten, die mit
10meiner Person zu besetzen wäre und ohngefähr 150 rthlr.
einbrächte, an mich zu denken. Ich habe oft gehofft, daß ich
in Berlin zum Beispiel, bei einem Haltpuncte von einigen
Groschen täglich, am ersten vorwärts kommen würde. —
Was meine Autorschaft betrifft, so konnte ich bei meinen
15Umständen nur wenig leisten; die letzten Acte des Sulla,
welche ich umarbeite und etwas ernstlicher nehme als die
drei ersten, sind noch nicht vollendet; die Handschrift Idee zu einem
anderen Faust, der mit dem Don Juan zusammentrifft, entwickelt
sich in meinem Gehirnkasten mehr und mehr; ich
20habe in Bezug auf dieses Stück dem heiteren Humor, der
das Tragische im Hamlet so mildernd durchweht, fleißig nachgespürt.
An einer erträglichen, für unsre Zeit passenden Erzählung,
soll es mir auch nicht fehlen, wenn ich erst nur ein
wenig von dem edlen Ton Ihrer Novellen in der Gewalt
25hätte. — — Als ich nach Braunschweig kam, eilte ich zuerst
zu Vieweg, um Ihren Auftrag zu vollziehen; Ihr Name verschaffte
mir einen außerordentlich höflichen Empfang, und
man Handschrift Handschrift versicherte, die Bücher an den leipziger Commissionär
von Hilscher abgeschickt zu haben, aber sie müßten unterwegs
30verloren gegangen seyn. Ich wollte, ich hätte sie gefunden! —
Ich bin sehr verzagt und suche die Hoffnung einer baldigen
Antwort in mir zu vertilgen; alles Heil und Glück Ihnen,
Ihrer Gemahlinn, Ihren Töchtern und Ihrem ganzen Hause! —
Immer verbleibe ich

35                Ihr

Detmold den 29sten

          Aug. 1823. hochachtungsvollster Verehrer
Ch. Grabbe

(Adresse: Ch. Grabbe, stud. jur., in Detmold.)