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[GAA, Bd. I, S. 660]

 


waren nur freie Plebeier, die gedient hatten. Ihre Zahl betrug
anfangs zwei, dann vier oder fünf, schließlich zehn. Das erste
Recht der Volkstribunen war das des Einspruchs gegen willkür-
liche Verfügungen des Magistrats zu Gunsten einzelner durch
dessen Maßregeln bedrohter Plebeier. Daher galt ihre Person als
unverletzlich. Schrittweise und in langem Kampfe entwickelte sich
aus diesem plebeischen Amte ein Amt der Gesamtgemeinde. So
erlangten die Volkstribunen nacheinander das Recht, die Sitzungen
des Senats zu beaufsichtigen, an ihnen teilzunehmen, den Senat
zu berufen und ihm nach Ablauf ihres Amtes anzugehören. Sie
verfolgten alle Vergehen gegen die Gemeinde und durften von
Beamten und Feldherren Rechenschaft verlangen. Im Verlaufe der
Kämpfe Roms um die Herrschaft in Italien und um die Weltherr-
schaft wurde der alte Gegensatz zwischen Patriziern und Plebeiern
überwunden. Dafür kamen andere Gegensätze auf, die sich poli-
tisch in dem Kampfe zwischen Optimaten- und Volkspartei aus-
wirkten. Er füllt die Zeit von den Gracchen bis zur Errichtung
der Monarchie aus. Die Führung der Optimatenpartei lag beim
Senate, die der Volkspartei übernahm in erster Linie das Amt
des Volkstribunates, das nach seinem Ursprunge revolutionär war.
Die Erbitterung des Kampfes brachte es mit sich, daß man auf
beiden Seiten von verfassungswidrigen Mitteln Gebrauch machte.
Im Jahre 81 wurde die tribunizische Gewalt durch die Gesetz-
gebung des Diktators Sulla getroffen und zur Bedeutungslosigkeit
herabgedrückt.
Verweis zum Text S.342, Z.11:Saturninus: Ein Volkstribun dieses Namens
ist im Jahre 87 nicht geschichtlich. Es ist jedoch möglich, daß auf
die Konzeption der Gestalt L. Appuleius Saturninus, der Volks-
tribun der Jahre 103 und 100, von Einfluß gewesen ist. Von
dessen Persönlichkeit geben die erhaltenen Nachrichten kein deut-
liches Bild. Als einen hervorragenden Redner, der die Gemüter
der Massen zu entflammen wußte, erkennt ihn Cicero an. Wenn
dieser gekränktes Ehrgefühl und Rachedurst als die einzigen Trieb-
federn seines Handelns annimmt, so vermögen wir nicht mehr zu
entscheiden, ob dies zutrifft oder nicht. Die Leidenschaftlichkeit
seines Wesens, die vor keiner Gewalttat zurückschreckte, erweisen
seine Taten. Unedle Beweggründe werden ihm auch von den Fein-
den, die seine Geschichte geschrieben haben, nicht untergelegt. —
Saturninus war im Jahre 104 Quaestor, und zwar erhielt er die
provincia Ostiensis, mit welcher die Aufsicht über den übersee-
ischen Getreidehandel und die Getreideversorgung der Stadt ver-
knüpft war. Bei Gelegenheit einer Teuerung entzog ihm der Senat
diese Kompetenz und ernannte den Vormann der Nobilität zum
außerordentlichen Kurator für das Getreidewesen. Erbittert über
die ihm angetane Schmach wandte sich Saturninus der Volkspartei
zu. Für das folgende Jahr bewarb er sich um das Volkstribunat
und erhielt es. Sofort begann er Vergeltung an der Nobilität zu
üben. Er trat mit Marius in Verbindung, der auf sein Betreiben
für 102 zum vierten Male zum Konsul gewählt wurde. Nach
dem Kimbernsiege des Marius kam es zwischen diesem und den
beiden Führern der Volkspartei, Saturninus und C, Servilius Glau-