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[GAA, Bd. I, S. 432]

 


— O Deutschland! Vaterland! Die Träne hängt
Mir an der Wimper, wenn ich dein gedenke!
Kein Land, das herrlicher als du, kein Volk,
Das mächtger, edler als wie deines! Stolz
5Und stark, umkränzt von grünen Reben, tritt
Der Rhein dem unverdienten Untergang
In Niederlandens Sand entgegen, — kühn
Und jauchzend, stürzt die Donau zu dem Aufgang —
Erstdruck Unzählge deutsche Adern rollen grad
10So stolz und kühn als Deutschlands Ströme! — Schau,
Hoch über dem eiszackigen Gebirg
Tirols, erhebt der Adler sich zur Sonne,
Als wäre da sein heimatlicher Horst, —
Die Berge schrumpfen unter seinem Blick
15Zu Stäubchen ein, — tief unten aber in
Tirols beengten Tälern, schlägt für Kaiser
Und für Ehre manches Herz weit höher als
Der Adler wagt zu steigen —
                              Selbst dies Rom,
20Wer wars der diesen Käfig brach, in dem
Die Nationen römisch erst, und dann
Papistisch siegen lernten? Ha, hier war es,
Wo Alarichs, des gotischen, wo Karls,
Des fränkschen Landsmanns, wo der Hohenstaufen
25Siegsrauschende Paniere flatterten,
Geliebkost von der heißen Luft, die einst
Die Kön'ge tötete!
                    Hier ist es, wo
Sankt Peters Kuppel sich emporgewölbt,
30Den Blick der Menschheit ins Endlose auf-
Zufangen, — schmählich jetzt geborsten vor
Erstdruck Dem Donnerrufe, der aus Wittenberg,
Aus meiner Vaterstadt, aus Luthers Munde,
All meiner Zeitgenossen größten, über
35Die Alpen furchtbar herklang!
                              — Und — doch o doch! —
Auch Luther, du! den Wahn hast du verjagt,
Zermalmt, zernichtet hast du wie der Blitz,
Nur etwas andres, Wahrheit, die besteht,
40Beruhigt, hast du nicht gegeben — Offner
Als je tut sich vor dem enttäuschten Auge