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[GAA, Bd. I, S. 430]

 


Erstdruck  Zweite Szene
Rom. Zimmer des Doktor Faust auf dem Aventin
Eine Lampe brennt
Faust erhebt sich vom Schreibtische 5
Unselge Nacht, willst du denn nimmer enden?
— Weh mir, sie hat erst eben angefangen —
Noch schlugs kaum elf. Zurück zur Arbeit also.
— — Zur Arbeit! Zum Studieren! Schmach und
Jammer!
10Tödlicher Durst und nie gestillt! Sandkorn
Zum Sandkorn sammeln, grenzenlose
Und immer grenzenlosre Wüsten um
Sich her zu bauen, und sodann darin
Sich lagern, schmachtend und verzweifelnd! — Ha,
15Ein Raubtier wird man, bloß um sich zu nähren!
Empfindungen, Gedanken, — Herzen, Seelen —
Den Menschen und das Leben, — Welt und Götter,
Ergreift es und erwürgt es sich zur Beute,
Und schreit vor Zorn und Hunger, wenn es kaum
20Zehn Tropfen Bluts in ihren Adern findet.
Erstdruck — Wer hat gestrebt wie ich? Wo ist der Pfad
Der Kunst, der Wissenschaft, den ich nicht schritt?
Weit ferner, kühner (ohne Rühmen darf
Ichs sagen) drang ich darauf fort als all
25Die Herren, die beim ersten Meilenstein
Umkehren, voll von ihrer Reise Wundern,
Und als gelehrte, selbstzufriedne Toren,
Von größern Toren angestaunt, sich brüsten!
— Ich aber wanderte und wanderte —
30Es blieb die Sonne hinter mir zurück,
Und nur ein paarmal merkt ich, daß sie trübe,
Fast wie ein rotgeweintes Mutterauge,
Mir durch die Nebel nachsah. Weg mit ihr!
Es war ein schönres Licht, nach dem ich suchte!
35Und schau, da ist das Ziel: vor mir der Abgrund,
In den die Ströme der Gedanken, des
Gefühles, brausend niederschäumen, ohne Rückkehr,
In dessen Brodem sich des Zweifels Hyder,