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GAA, Bd. I, S. 447 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. I, S. 447]

 


Don Juan Du hättest je Octavio geliebt?
Donna Anna
Wer gibt dir Recht, mich darum zu befragen?
Don Juan
5Unselge, dich willst du und mich vernichten —
Den Schein bewahren, und der Wahrheit widerstehn —
Mein Tod ists und der deinige! Dein Wort
Hast du Octavio gegeben — Soll
Das Wort, soll dieses Eis, womit
10Erstdruck Du deine Freiheit fesseltest, als noch
Der Liebe Feuer dir nicht glänzte, dich
Auch jetzt noch binden, da der Lebensfrühling
Mit seiner jungen Sonne zauberkräftig
Hoch über unsre Häupter tritt? — Wie der
15Gebirgswald, wenn der Wind des Sommermorgens
Wollüstig sich in seinen Wipfeln schaukelt,
Mit allen seinen Blättern aufrauscht, selbst
Den tiefverstecktesten, und wie in ihm
Die Vögel dann, des Tages Strahl begrüßend,
20Mit tausendfältigem Gesang erwachen,
So regt ein neues Dasein unsre Pulse!
— Ich flehe dich, ich fasse deine Hand,
Sprich Leben oder Tod, mit einem Wort,
Mit einer Silbe sags, ob du mich sterben sehn,
25Ob du mich lieben willst?
Donna Anna Ich liebe dich,
Und damit lebe wohl! Nie, Furchtbarer,
Werd ich die Deinige!
Don Juan Du liebst mich? Schau,
30In lichter Glut flammt meines Lebens Nacht
Erstdruck Empor, berührt vom ersten Strahl des Morgens!
Die Sterne all, die früher einzeln mir
Geleuchtet, schwinden hin vor dieser Pracht!
Donna Anna
35Ach, nicht des Morgens freundlich Licht, nein, es
Sind Blitze, die blutroten Flügelschlags
Zerschmetternd und enteilend, diese Stunde,
So schwül wie keine, uns erhellen.
Don Juan Senk nicht
40Dein Haupt und fürcht dich nicht vor Blitzen!
Die Liebe macht dich herrlich und nicht schuldig: