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GAA, Bd. II, S. 102 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. II, S. 102]

 


In Aachens Dom, mit mir mußt flüchten — O,
Gott weiß es, meine Schuld ists nicht — Ich stritt
Ja in der Weserschlacht fast übermenschlich!
Mathildis
5Ich lag verletzt vom Pfeil — doch in der Ohnmacht
Hört ich die Donnertöne deines Mutes!
Erstdruck In Östreich, Böhmen und in Polen klingen
Die Glocken über die gefallnen Herrscher,
Und Jeder schreckt dabei vor deinem Namen! Seufz
10Um mein Geschick nicht, und bedenke:
Die Tochter des Plantagenets bedurfte
Nach Reichtum nicht und Ruhm und Macht zu freien:
Sie wählte nur das Herz — So lang es schlägt,
Ist sie beglückt!
15Heinrich der Löwe Nach England denn!
Fahr ewig wohl, du deutsche, teure Küste!
Die Woge spült auf einem schwachen Kahn
Der Welfen letzten fort, wie eine Muschel!
Mathildis Nicht ewig Lebewohl dem Vaterlande,
20Und nicht der Welfen letzter!
Heinrich der Löwe Du errötest?
Mathildis
Weg falsche Scham, wenn ich den Herzog kann
Erfreun! —
25Leise
          Erstdruck  Heinrich, ich fühle, unterm Herzen
Lebts mir. — —
Heinrich der Löwe
— — Ha, das ist Gottes Wink! — Mein
30Geschlecht soll nicht verderbenes
verdients
Auch nicht! Es strebte allzu groß! So weit
Die Erde sich, die Meere, dehnen, wollt
Es herrschen, und es wirds! —
35Er küßt Mathildis auf die Stirn; dann in wilder Freude auf-
blickend und sich über die Felsen des Strandes beugend
                    — — Was seh ich? — Wolken
Zerflattern! Tosend springen auf die Tore
Der Zukunft! Freudger Wahnsinn, Weib, umzuckt
40                                 oder
Ists Wahrheit?