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GAA, Bd. II, S. 193 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. II, S. 193]

 


Verzagt — Da setzt er seinen Fuß zufällig
Handschrift Um eines Berges Ecke, und sieh da: geschmückt
Und reich, wie eine offene Muschel mit
Der Perle, prangt vor ihm das Tal
5Erstdruck Mit seiner Stadt, dem Endpunkt seiner Reise —
Im Sonnenstrahle blinken ihre Türme,
Heerstraßen reißen Ross' und Wagen,
Die Ströme Schiffe brausend zu ihr hin,
Den Wanderer mit ihnen — Aber wird
10Er auch da finden, was er dort
Zu finden hoffte? Wird der junge Bund
Der Welfen und Waiblinger lange währen? —
— Ich zweifle. — Alles was ich je erfahren, lehrt
Es anders. Auf der Erde Streit und Wut,
15Selbst unter Freunden, Ruhe nur im Grab.
— — — Wie hold ist doch das Grab! Da auszuruhn
Von all den heftgen Aderschlägen, sicher
In ewger Stille vor den Stürmen allen
Des Lebens und des Hauptes — Nicht vertausch
20Ich es um meinen Herzogsthron — Man lernt
Des Todes Wollust schätzen, wenn man achtzig Jahr
Gelebt. —
Er tritt an das Fenster
            Dort liegt der Harz, hoch und gewaltig,
25Und Wetter leuchten über seinen Scheiteln —
Ha, seid ihr es, ihr glänzenden Gestalten
Der Kampfgenossen aus der Weserschlacht?
Blitzt ihr vom Himmel, winkt mich zu euch?
Erstdruck Wie flammt da Truchseß, funkelt Orla —
30O Freunde, Freund', ich komme bald!
— Still ist dies Schloß, ganz Braunschweig schläft, —
Die alte, treue Stadt, und weiß nicht, daß
Ihr Herzog stirbt. —
                    Handschrift  — In Deutschlands großen Fürstenhäusern
35Wohnt nicht der Lebende allein, — nein, auch
Des Stammes Mutter wandelt durch sie hin,
Versagt sich selbst des Paradieses Freuden,
Und achtet auf der spätsten Enkel Schicksal,
— So mächtig zieht es sie zu ihren Kindern! —
40Der Pöbel fürchtet und belügt
Mit blutgen Märchen sie — Wir Fürsten wissen