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[GAA, Bd. II, S. 197]

 


Kaiser Heinrich mit Agnes und Prinz Heinrich tritt ein
Gegrüßt mir, Haupt der Welfen.
Heinrich der Löwe Ha, schon da —
— Verzeih, ich bin zu matt, um aufzustehen. —
5Kaiser Heinrich
Bleib ruhig — Wenn sich Welfen und Waiblinger
Versöhnen, gilt es nicht Formalitäten.
Erstdruck Weh ihnen, wenn sie sich nach Höflingsart
Nur scheinbar grüßen, und sich wieder fliehen —
10Gefährlich spielten sie mit ihrer Größe.
Nein, wie zwei Ströme, die dem Bergeshang
Entstürzen, ihrem Flußbett folgend, sich
Vereinen, selbst bei Nacht, (wie wir jetzt eben)
Sich finden müssen, und dann unzertrennlich,
15Breit und gewaltig zu dem Meere fluten,
Begegnen wir uns hier.
Heinrich der Löwe Sohn Friedrichs — Vieles
Hab ich erfahren, lang gelebt — Unmöglich
Ist steter Friede zwischen unsern Stämmen.
20Ob ein paar Blätter auch, wenn Sommerwind
Handschrift Sie rührt, liebkosend sich entgegenflüstern —
Der Bäume Wurzeln sind in Finsternis
Gepflanzt und ringen ewig miteinander,
Und nach der Wurzel biegt sich doch der Stamm.
25Zwei Sonnen nicht am Himmel, und auf Erden
Nicht zwei Geschlechter wie die unsrigen.
Kaiser Heinrich
Grad weil wir so gewaltig sind, gelingt
Uns das unmöglich Scheinende vielleicht.
30Nicht tote, winzge Blätter, die sich nur
Im Lüftchen regen, sind wir — Leu, es regt
Erstdruck In uns sich eigne Kraft, — frier auch die Wurzel
Tief in der Erde, — nah genug sind wir
Der Sonne, ihre Gluten einzusaugen,
35Und sie hinabzusenden zu der Tiefe,
Die Füße damit zu erwärmen! — Hoffe
Die schönste Zukunft!
Heinrich der Löwe Junger Fürst, wer oft
Gehofft hat, lernet — fürchten.
40Kaiser Heinrich deutet auf Agnes und den Prinzen Heinrich