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[GAA, Bd. II, S. 242]

 


Schein ist mehr als die Wahrheit, denn die ist allzu er-
bärmlich. — Vor Erschaffung der Welt war gewiß schon
der Tabak erfunden, und der Creator hatte wahrscheinlich
eine enorme Tabakspfeife im Munde, und zog und qualmte,
5 und sieh da: der Qualm war das All!
Andreas Herr, erlaubt mir altem Diener, dem Ihr oft schon
die Sache angedeutet habt und der in Eurem Dienst leben
und sterben möchte, ein offenes Handschrift Wort: Ihr wißt, wie es mit
Eurem Vermögen von Tag zu Tag schlimmer geht, — war-
10 um trinkt und philosophiert Ihr bloß, statt dem Unheil
zu steuern und einzugreifen?
Der Baron Du fragst vorwitzig, bist aber ein ehrlicher Bursch,
und mein Ärger ist so groß, daß ich stürbe, lüftete ich
mich nicht. — Unglück, Freund, macht dreierlei: Trinker,
15 Dichter und Philosophen. Alle drei versuchen sich zu berau-
schen, der eine in Wein, der andre in Äther, der dritte
in Unsinn, mancher in all den drei Dingen auf einmal.
Und ich habe ein Unglück, eine Frau. Und dieses Unglück
hat mir wieder zwei Unglücke Handschrift geboren, zwei Töchter. Dieses
20 dreiköpfige Unglück, dieser Zerberus, zehrt meine Habe auf:
es putzt sich, gibt Tee's (ach, die Teemaschinen sind gefähr-
licher als dampfende Vulkane!), und verschwendet auf mei-
ne Kosten. Das bemerke ich recht gut, aber ich bin zu
schwach, mich zu widersetzen, denn, wie ich durch meine
25 Reflexion herausgebracht habe, besitz ich keine Konse-
quenz und Charakterstärke.
Andreas Eure Gemahlin ist doch denn auch nur eine Frau.
Der Baron So? Frau? Wenn du einen Krokodil kennst, kennst
du noch keine Frau. — Kennst Handschrift du Schmollen? kennst du
30 Tränen? kennst du Gezeter? jahrelange Beharrlichkeit im
Eigensinn, nur um des Eigensinns willen. Die Pfiffigkeit,
grade da, wo man Unrecht hat, das meiste Recht haben
zu wollen? Kennst du das? So kennst du eine Ehefrau,
so kennst du das Land, wo zwar keine Zitronen blühen,
35          aber zornge Wangen glühen,
          wo zwar nicht die Myrte still steht,
          aber Sturm ihr Laub verweht.
Andreas Wie verliebt, gnädiger Herr, waret Ihr in sie, als
Ihr sie zur Braut nahmt!
40Der Baron Ja, Bräute, die Sodomsäpfel! — So lange sie
Bräute sind — ach! ah! wie schön! wie nett! — o Herz!