Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
GAA, Bd. II, S. 247 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. II, S. 247]

 


Vorzug, — es zeichnet ihn aus, schmeichelt ihm, und
Schmeichelei ist der sicherste Weg, das Herz zu gewinnen, —
wenn ihr allen zuvorkommt, werft ihr euch weg, und keiner
fühlt sich geehrt. Gebraucht den Glanz des Auges, den
5 Ton der Stimme, — es wohnen darin wundersame Kräfte,
— sie scheinen der Spiegel und Abklang der Seele, ? —
Doch mäßig! Nicht den Blick umhergerollt, nein, spart
damit, und wen ihr einmal damit haltet, den haltet fest,
aber nur pausenweise und bedeutungsvoll, — die Länge
10 ermüdet. Was keine Sprache sagen kann, sagt das Auge —
Ewigkeiten und ganze Himmel sind hineinzulegen. — Redet
Handschrift wenig (allzuviel ist gefährlich, da man sich leicht verredet),
aber was ihr redet, sprecht mit melodischem Akzente, —
ist es nicht geistreich, so scheint es denn doch liebenswürdig.
15 Zum Gesange gebt euch nie her; ihr stellt euch dadurch
Schauspielerinnen gleich, und ihr werdet kritisiert, — der
Tadler glaubt immer mehr zu sein als der Getadelte. Die
Gelegenheit, wo ihr eure Vorzüge zeigen könnt, sei's ein
voller Arm, eine zarte Hand, ein netter Fuß, benutzt, aber
20 scheinbar ganz unwillkürlich. Der Putz sei brillant und
kostbar, — glaubt mir, er wirkt mehr, als die Schönheit
selbst, — es zeigt sich in ihm am ersten der Geschmack
und Geist, er hüllt die Dame in einen Nimbus, und indem
er die Kühnheit der Männer reizt, schreckt er sie doch wie-
25 der durch seine Pracht und Zartheit Handschrift zurück. Und das ist
die Hauptsache — eine Stadt, die er leicht erobert hat,
beachtet der Sieger nicht mehr, sobald er sie besitzt, eine
wichtige Festung aber verwandelt er nach der Erstürmung in
seine eigene. — Das alles berechnet und nutzt mit trockner
30 Überlegung, und ihr erringt eure Freier so sicher, als ich
einst den meinigen.
Thisbe Ach, Mutter, das schwärmerische Spiel der Hände und
der Augen, die halbverstohlnen Blicke, die wie Diebe kom-
men und gehen, kenn ich längst.
35Clorinde Will ich lächeln, so seh ich erst finster, will ich
ein Herz erobern, so stoß ich es erst zurück — so sicherer
wird es nachher mein.
Handschrift Die Baronin Schülerinnen, ihr übertrefft die Lehrerin.
Thisbe Die Aschenbrödel soll mir heute das Haar scheiteln.
40Clorinde Und mir soll sie die Girlanden des Kleides ordnen.
Die Baronin Aschenbrödel! Ich verliere Takt und Besonnen-