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[GAA, Bd. II, S. 465]

 


1 Vom Bearbeiter zusammengestellt.
ERSTER AKT
Handschrift Erste Szene
Sankt Petersburg. Ein Zimmer im Palast der Eremitage
Katharina die Zweite und Fürstin Dolgoruki 5
Katharina auf dem Sofa sitzend Dahin! Das beste Gemüt
der Welt! — Mein Lanskoi!
Fürstin Majestät —
Handschrift Katharina In die Kissen dieses Sofas verberg ich mein
Antlitz und nichts will ich hören als das Gerinn meiner
10 Tränen.
Fürstin Kaiserin, werde wieder Russin, und laß die empfind-
same Deutsche. Was dächten die Völker der Wolga und
Lena, die unter zottiger Brust dich als eine Gottheit ehren,
wenn sie wüßten, du vergäßest um ein bedauerliches Schluch-
15 zen sie, ihre Ströme und rauschenden Gestade?
Katharina Was die dächten? — Was kümmerts mich. Ach
ich sehe nur ihn, den Gestorbnen!
Handschrift Fürstin Den Gardeleutnant! — Sieh lieber dein Reich an,
wie es die Erde umarmt, und wie in demselben noch so
20 viel andres zu sehen ist.
Katharina O, zerdrückt' es sie, wie ich zerdrückt bin!
Fürstin Warum nicht, wenn Du es befiehlst? Doch sei erst
wieder stark und groß wie sonst.
Katharina Du sprichst sehr kühn!
25Fürstin Weil du mich verletzest, daß du so klein wirst. Ich,
die Sklavin mit dem Fürstentitel, fühle mich nur groß in
der Handschrift Größe meiner Selbstherrscherin!
Katharina Was ist Größe? — Da ein Mückenstich uns Kai-
serthrone und alles vergessen macht.
30Fürstin Und doch gibts Gedanken, größer als wir, unter
denen sich selbst gesenkte Kaiserstirnen erheben könnten!