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[GAA, Bd. III, S. 134]

 


Erstdruck Warte über einem Haupttor Karthagos
Der Pförtner mit seinem Knaben
Pförtner Kind, sieh genau hin, denn heut erblickst Du
etwas, wovon Du nach hundert Jahren erzählen kannst,
5 und zum Glück ists helles Wetter.
Knabe O die lustige Musik! Die blanken Harnische!
Pförtner Siehst Du die beiden Staubwolken?
Knabe Die da links den Himmel verdunkeln und durch-
einanderwirbeln?
10Pförtner Das ist die numidische Reiterei im Gefecht mit
der römischen. Den Göttern Dank, die unsrige dringt vor!
Knabe Was wimmelt und windet sich hinter ihr am Boden,
als wollts aufstehen und fort, und könnte nicht?
Erstdruck Pförtner Verwundete und Sterbende, mein Sohn.
15Knabe Hilft ihnen keiner?
Pförtner Nachher. Im Drange der Schlacht ists zeitstörend
und gefährlich, sagt unser Nachbar, der Bader.
Knabe In der Mitte der Scharen, Vater — hu, was sträuben
sich da die Lanzen empor, fast wie Großmutters Haare,
20 wenn sie keift!
Pförtner schlägt ihm hinter die Ohren Bengel, schimpf nicht
auf Großmutter!
Knabe weint Darf ich nicht sagen, was ich sah? Will fort
Pförtner Junge, Du bleibst.
25Knabe Meine Schulstunde — Ich komme zu spät.
Erstdruck Pförtner Werde Dich entschuldigen. — Schau, die beiden
Mitteltreffen geraten aneinander!
Knabe Der Feind zieht aber seine Schwerter und rollt sich
zusammen, wie neulich der Stacheligel.
30Pförtner Es hilft ihm nichts, unsre Lanzen sind länger.
Knabe Der Feind schlägt sie doch beiseit — Weh, da sitzen
und würgen sie sich an den Kehlen!
Pförtner Teufel — und es wird dabei so schauderhaft still,
und man siehts so deutlich! Brausten doch alle Donner los,
35 wirbelten und dampften alle Wüsten auf, dies leise Gewürg
und Gemetzel zu übertäuben, zu verhüllen! — Ha, da
kommt der edle Brasidas mit Reiterei zu Hülfe!
Knabe Und da stößt ihm ein Römer den Dolch unter die
Rippen, daß ihm das Blut auf die Erde prasselt, und er
40 vom Pferde stürzt! Hu!