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[GAA, Bd. III, S. 505]

 


und ordne erst beim Abschreiben.“ (Brief Verweis zum Text Nr 232.) Hin und wieder
sind für frühe Niederschriften auch Foliobogen verwendet worden.
Jedoch überwiegen die unpaginierten Quartblätter bei weitem. Ob
dies auch auf das noch komplette Handschriftenmaterial zutraf,
muß unentschieden bleiben.

  Auch ein zweites Kriterium wird aus der Arbeitsweise des Dichters
gewonnen werden können. Vergleicht man die Fassung des „Rheini-
schen Odeons“ mit der gedruckten, so kann einem nicht entgehen,
daß eine Reihe von Szenen in jener frühen bereits keimhaft angelegt
sind, die in derjenigen letzter Hand in ihrer ausgereiften Gestalt
erscheinen. Man wird diese Arbeitsweise als eine aufschwellende be-
zeichnen können. Sie findet ihren Beleg gleichfalls in einem Briefe
an Kettembeil. Er ist vom 2. Oktober 1830 datiert; darin meldet
Grabbe u. a.: „Napoleon schreibe und schreibe ich ab, jeden Tag
mehrere Bogen, aber bei der Gelegenheit wächst er wieder ...“
(Brief Verweis zum Text Nr 280), eine Bemerkung, die im übertragenen, aber auch
im eigentlichen Sinne zu nehmen sein wird. Aus dieser Annahme
ist der Grundsatz hergeleitet, daß dann, wenn ein und dieselbe
Szene oder Szenenfolge innerhalb einer Gruppe in mehreren Nie-
derschriften vorliegt, diejenige für die jüngere zu halten ist, welche
die höheren Seitenzahlen aufweist.

  Die Entstehungsweise des Werkes ergibt noch einen dritten An-
haltspunkt. Vielfach haben dem Dichter im Fortgange der Arbeit
frühere Niederschriften zur Vorlage gedient. Dabei haben sich Fehler
eingestellt, wie sie für das Abschreiben charakteristisch sind. Eine
Stelle der Vorlage wird übersehen, oder der Blick erfaßt ein späteres
Wort als das, welches an der Reihe ist. Wenn nun das Ergebnis einer
Änderung auf einem Blatte auf ein anderes übernommen und
dort unverändert geblieben ist, dann ist daraus der Schluß gezogen
worden, daß das Blatt mit der Korrektur die frühere Niederschrift
trägt.

  Ein letztes Kriterium der Datierung ist die Namengebung. Ur-
sprünglich sollte der Held des Dramas Armin benannt werden, wohl
in der Erkenntnis, daß nur dieser Name überliefert ist. Unterm
3. April 1835 schreibt Grabbe an Immermann: „Während der Zeit,
da Sie meine Abhandlung [über das Theater zu Düsseldorf] hatten,
ist mein Hermann oder Armin (ich nenne das Stück zwar Hermanns-
schlacht, er aber soll doch darin seinen ehrlichen, echten Namen Armin
behalten) vorwärts gelaufen wie seine Senner.“ (Brief Verweis zum Text Nr 563.)
Später hat er sich doch für Hermann entschieden. Daraus ergeben sich
drei Gruppen von Handschriften: in der ersten heißt der Held durch-
weg Armin; in der zweiten sind innerhalb eines Fragments beide
Namen vertreten oder es ist Armin in Hermann geändert; in der
dritten Gruppe hat sich Hermann durchgesetzt. Ferner heißt Eggius,
Kommandeur der neunzehnten Legion, anfangs Cäcina, Lucius Cas-
sius Vero, der in der Eingangszene hingerichtete römische Soldat,
vorher Lucius Cassius Ejola.

  Drei Arbeitsphasen zeichnen sich ab. Wenn das erste Stadium des
Entwerfens und Tastens überwunden war, begann die zweite Arbeits-
phase. Sie ist durch Paginierung gekennzeichnet, die ebenso früheren
wie frischen Niederschriften zu Teil werden konnte. Nun war es also