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GAA, Bd. IV, S. 22 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. IV, S. 22]

 


dem römischen Recht sind bei einer etwaigen Interpretation
hier nur die vielen theoretischen Sätze
und Definitionen anzuwenden; bei dunklen Stellen
würde aber den zuverlässigsten Leitfaden die
5genaue Kenntniß der lippeschen Observanzen abgeben.


  Was endlich die Billigkeit anbelangt, gegen
welche das Votum des Referenten wohl könnte
zu sprechen scheinen, so wagt er nicht sich stillschweigend
10über sie wegzusetzen und sich mit
dem Sprichwort zu beruhigen: was dem Einen
recht ist, ist dem Andren billig. Sie hat sich ja
die Intervenientin um den Bürgschaftscontract
so tief in den deutschen Gerichtsgebrauch eingeschlichen,
15daß sie selbst Gesetze umgestoßen und
sich an deren Platz gedrängt hat. Obschon sie
also, wie oben zu deduciren versucht wurde, in
Betreff der Gütergemeinschaft einen sehr verdächtigen
Ursprung an sich tragen mag, so will der
20Referent dennoch den eigentlichen Entscheidungsgründen
einige Bemerkungen voranschicken, welche
darthun sollen, daß wenigstens in vorliegendem
Falle das Rechte zugleich auch das Billige sey.

  Da eine verheirathete Frau nur zwei Wege hat,
25auf denen sie ihr Vermögen in Sicherheit bringen
kann, entweder durch Absonderung von dem Gut
ihres Mannes oder durch Vereinigung mit demselben,
so gilt es nur die Frage, welches der beste
Weg ist. Schwerlich möchte Jemand die traurigen
30Folgen der Gütertrennung verkennen: Das Vermögen
wird wie eine ewige Scheidewand zwischen
den Eheleuten liegen, und tausend eigennützige
Interessen werden daran einen Boden zum Aufkeimen
finden. Überdieß hat die unrechtmäßigste
35Speculationssucht hier den trefflichsten Hinterhalt,
in welchen sie sich, zum Verderben der Betrogenen,
mit allem, was sie auf das Spiel gesetzt
hat, zurückflüchten kann. Daß bei der Gemeinschaft
der Güter dieß von selbst wegfällt, und daß
40vielmehr im Gegentheil, ganz wie das Gesetz sagt,
„Mißtrauen und Eigennutz durch sie unter den