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[GAA, Bd. IV, S. 199]

 


nur fürcht' ich: bisweilen zu deutlich. Er macht selten Fehler,
regt aber auch selten zu frischer Lust oder reiner Begeisterung
auf. Man sieht stets, wie und wohinaus er Handschrift berechnet hat.
Doch, wollte er nur, so hätte er überflüssige Mittel an Phantasie
5und Gefühl, um seine an sich lobenswerthen Bestrebungen
und Studien so zu überkleiden, daß man nicht mehr merkte,
es seyen bloß dergleichen. Die Bitterkeit, Schadenfreude und
Selbstzufriedenheit, mit welcher Demea zuletzt auf Kosten
seines Bruders den Nachgiebigen spielt, mußten auch schärfer
10hervorgehoben werden, weil der Dichter offenbar den Effect
des ganzen Stücks auf diese Scenen berechnete.

Grabbe.
25.
Handschrift Stadt-Theater.

15
  Sonntag, den 6. März: 2.) Richard Löwenherz.
Singspiel in drei Aufzügen nach dem Französischen des Sedaine.
Musik von A. C. Grétry.

  Madam Albrecht zeichnete sich als Fanny recht sehr
aus, und läßt uns hoffen, daß sie bei weiterer ernster Uebung
20noch weit mehr leistet als wir bisher uns berechtigt glaubten,
erwarten zu können. Auch Dem. Meiselbach, Margaretha,
zeigt mit jeder Darstellung mehr und mehr, welche
köstliche Erwerbung sie für unsre Oper ist. Nur hat sie sich
bei den höheren Tönen etwas in Acht zu nehmen. Herr Ver-
25sing war wie immer: sicher und kräftig. Hätte Handschrift Richard
Löwenherz den Herrn Wüstenberg gespielt und gesungen,
so würde vielleicht Besseres aus dem Wüstenberg entstanden
seyn als dieser aus seinem Richard schaffte.

  Die Musik dieser Oper ist mehr trocken nach dem Generalbaß
30calculirt, als romantisch. Grétry hat sogar die vielen
alten aus den Herzen kommenden Nationalmelodieen über
Richards Schicksal nicht zu benutzen gewußt, und das alte
Richard o mon roi ertönt noch jetzt oft in den Straßen von
London und Paris ergreifender als er es setzte.

358.