| [GAA, Bd. IV, S. 157] [S. 80] V. ALEXIS.Dramatisches Gedicht in zwei Theilen von Immermann. Erster Theil: die Boja- 5ren. Schauspiel in 5 Aufzügen. Alexis, zweiter Theil: das Gericht von St. Petersburg, Trauerspiel in 5 Aufzügen, von demselben.Dargestellt am 20. und 21. April 1835. 10Es ist noch immer zweifelhaft, ob Jean Jacques Rousseau nicht recht hat, wenn er im contrat social behauptet: die Russen mußten in Asien, nicht in Europa ihre Kraft suchen und Peter der Erste durfte ihre morgenländische Nationalität nicht zerstören. Peter der Große war anderer Meinung, und 15was der meinte, setzte er durch. Der Geist seiner russischen Zeitgenossen zeugt indeß mehr für die Meinung Rousseaus. Als Peter, wie der große Friedrich, durch unsägliches Jugendleid gebildet und gehärtet, seinen [S. 81] Fuß auf das ihm verhaßte alte russische Wesen setzte, zischte und züngelte 20der Kopf der Hydra, mit einem Körper von circa 180,000 Quadratmeilen, von allen Seiten um seine Fersen. Er ward recht einsam im Rußland, auch seine Gemahlin, welcher er den Liebhaber Mons in ihren Armen erstechen mußte, war ihm fern.25 Alexis, sein Sohn, war's, in dem die altrussischen Großen eine Hoffnung erblickten, Peters neuen Bau nach dessen Tode gleich zu zerstören. Alexis ließ sich auch darauf ein, ist jedoch in der Geschichte nicht so kräftig, wie Immermann ihn dramatisirt hat. Der Czar sah keine Dauer seiner jungen Schöpfung, 30falls nicht dieser Thronerbe vor seinem Absterben fiele. Es ging ihm grad wie dem ersten Constantin mit seinem Sohn Crispus, dem Philipp II. mit Carlos. Noch jetzt ist Rußland nicht so eins, wie man gewöhnlich wähnt. Der alte, begütertste Adel haus't in Moskau, der Hof in Petersburg.35 Immermann hatte die Aufgabe, alle Stürme des Volkslebens, der Intrigue der Großen, und doch die Herzen der Einzelnen, welche darunter zappeln oder sich dazwischen bewegen, zu schildern. Hat's gethan. |
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