| [GAA, Bd. IV, S. 197] in 5 Acten, frei nach dem Französischen von Louis Angely. Hätte Angely immer solche harmlose, ungezwungene, und getreu aus der Wirklichkeit gegriffene Genre-Bilder ausgearbeitet, 5so möchte er seinen dramatischen Uebersetzercommilitonen gefährlicher geworden seyn. Das Stück ist ursprünglich französisch, aber es ist mit der größten Lebensfrische in die Mark Brandenburg, in ihre Hauptstadt, ihre Kiefernwaldungen und die Wirthshäuser ihrer kleinen Städte versetzt. — 10Lebensfrisch und wahr, wie Angely sie sich gedacht hat, waren auch die scenischen Anordnungen. Die ärmlichen Absteigequartiere, der vorüberfahrende Reisewagen mit seinen launenhaften, aber dennoch sichtbar lustigen Passagieren, waren nicht besser darzustellen.15 Herrn Euling (Liborius) hab' ich nie mit solcher komischen Kraft spielen sehen als gestern Abend. Sein heiteres Wesen ließ uns seine vom Dichter etwas zu stark hervorgehobene Schwäche fast vergessen. Stand ihm Jemand würdig zur Seite, so war's Hr. Jenke I, sein alter Kammerdiener. 20Die Costumirung des letzteren war so originell, und doch so passend, daß sie wohl verdiente als ein Muster für diese Rolle abgebildet zu werden. Dabei sein theils vor Alter, theils vor gewohnter Devotion gekrümmter Rücken, seine merkbare Be- gier nach Speis' und Trank und echte Resignation, wenn er 25nicht dazu kommen konnte oder bei dem Genuß gestört wurde. — Die Commerzienräthin Baldini (Mad. Limbach) fand auch eine Darstellerin, die sie anderswo oft vergebens suchen möchte. Der weibliche Eigenwille, der oft nur consequent nach Laune sich richtet, und diese durch die besten 30Vernunftgründe nicht so leicht erschüttern läßt, als mancher Philosoph sein mühsam erbautes System durch ein paar Schwätzer, wurde von ihr mit einer Natürlichkeit vorgestellt, die den Zuschauer beinah erbittern, und darüber ärgerlich machen konnte, daß der arme Liborius sich das alles so gefallen 35ließ. Letzterer hätte auch (nach meiner Meinung) endlich etwas Galle bekommen müssen, und Brennicke schien wie geboren, sie in ihm aufregen zu können. Dann hätte er z. B. statt der Madam, in seinem Wagen mit den von ihr zu keck bestellten Pferden davonfahren können, während sie etwa in der Nähe 40sorglos auf die Nachricht, daß angespannt sey, gewartet hätte. Damit wäre die dramatische Gerechtigkeit befriedigt, welche |
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