| [GAA, Bd. IV, S. 85] ausgeheckt, so fühlt sich Mancher (vielleicht im Publikum sowohl, als unter den Schauspielern) auf dem ihm passenden und recht niedrigen Standpunkte, und erwiedert eingebildete Injurien und mit der Retorsion ächter.5 [Sp. 450] Der nächste Grund solcher Erbitterung mag bei vielen Schauspielern der sein, daß sie von ihrer Kunst leben müssen, und daher fürchten, mit jeder tadelnden Kritik ihren Unterhalt geschmälert zu sehen oder verlieren zu können. Ob die Leute leben können oder nicht, ist aber dem Kunstkenner 10als solchen sehr gleichgültig, — haben sie sich einer Kunst gewidmet, so müssen sie auch die Gefahr kennen, in die sie laufen, wenn sie keine besitzen. Wehe der Wissenschaft oder Kunst, wenn sie sich auch einen Augenblick nach häuslichen Bedürfnissen eines Individui ungerügt richten dürften. —15 Mögen daher in den kleineren Städten (auch in Detmold) die Schauspieler oder eine Parcel des Publici lernen: daß eine Rezension nur das Urtheil eines Einzelnen ist, und nur insofern dauernde Wirkung macht, als sie auf ächter Kunstansicht beruht, — daß nicht eher Persönlichkeiten zu wittern sind, als 20bis man sie beweisen kann, und es selbst dann vom belangten Theile eben kein Zeichen der Weisheit ist, Persönlichkeit mit Persönlichkeit zu erwiedern, — daß, wenn nur irgend etwas Geist in einem Künstler steckt, er selbst aus dem herbsten Tadel noch immer viel lernen kann, und daß Mangel an 25Demuth in der Regel auch Mangel an Selbstkenntniß andeutet, — daß hinsichtlich unseres Detmolder so huldreich unterstützten und umsichtig verwalteten Theaters es den Schauspielern zukommt, statt über Kritiken zu klagen und auf ihrer Kunststufe, sobald sie etwa nur leben können, stehen 30zu bleiben, durch Bescheidenheit und unermüdliches Streben sich des ihnen erzeigten gnädigen Schutzes stets würdiger zu machen und unser Theater auf die Höhe erheben zu helfen, auf welche es bei seinen vielen Mitteln kommen kann, und jeden kritischen Tadel erst ohne Eitelkeit und mit zartem 35Gewissen zu prüfen, bevor sie dagegen zürnen. Schade wäre es, wenn, wie vielleicht einige wünschen mögen, der treffliche Beginn des Detmolder Theaters durch Mangel an Kritik unterginge. Grabbe. |
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