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[GAA, Bd. IV, S. 452]

 


  Im Sommer 1909 erschien Spiridion Wukadinović, Privatdozent
an der Deutschen Universität in Prag, gleichfalls in der Handschriften
-Abteilung der Königlichen Bibliothek in Berlin und
stellte sich als zukünftiger Herausgeber Grabbes vor. Bevor er auch
nur Gelegenheit gehabt hatte, einen Blick in die Kataloge zu
werfen, wurde ihm das Manuskript der Abhandlung in die Hand
gegeben, mit der ausdrücklichen Bemerkung: dieses sei die von
Grisebach vergebens gesuchte Handschrift von Grabbes Abhandlung
über Goethes und Schillers Briefwechsel. Zu seiner Bequemlichkeit
wurde ihm außerdem eine Abschrift, die Dr. Emil Jacobs, Bibliothekar
bei der Königl. Bibliothek, besaß, für Wochen nach Prag
mitgegeben.
  Von dort erfuhr im folgenden Jahre die literarische Welt, ein
Goethe-Pamphlet Grabbes sei aufgefunden worden. In ihrer
Nr 113 vom 25. April 1910 meldete dieBohemia“, es sei dem
Dr. Wukadinović, Dozenten an der Prager deutschen Universität,
gelungen, festzustellen, daß sich die bereits für verloren gehaltene
wertvolle Handschrift in der Berliner Königlichen Bibliothek befinde.

  Diese Notiz zog eine kurze Polemik in der Presse nach sich.
DieVossische Zeitungberichtete in ihrer Abend-Ausgabe vom
26. April (Nr 194) auf Grund einer Mitteilung vonzuverlässiger
Seite“, wie es sich in Wirklichkeit mit dieser Handschrift verhalte
und daß von einerEntdeckungdurchaus keine Rede sein könne,
und brachte zwei Tage später aus der Feder des bereits genannten
Dr. Jacobs einen längeren Aufsatz unter dem TitelDie 'neue'
Grabbe-Handschrift“, in dem deren Schicksale dargestellt und sodann
umfangreiche Auszüge aus ihr mitgeteilt wurden. Überdies
erklärte der Verfasser, auf Grund der mitgeteilten Tatsachen
nähme er an, daß Wukadinović nicht selbst der Urheber jener
Notiz in derBohemiasei. (Nr 197. 28. April. Morgen-Ausgabe.)
Gleichwohl fühlte sich Wukadinović durch den Aufsatz gekränkt
und versicherte in der Nr 217 derVossischen Zeitungvom
11. Mai (1. Beil.), er habe niemals von einerEntdeckunggesprochen,
als Berufs-Bibliothekar und Literarhistoriker wisse er sehr
wohl, daß man eine katalogisierte und signierte Handschrift nicht
entdeckeund er jenen Blättermeldungen vollkommen fernstehe.
  In der von ihm besorgten, von Bong et Co, verlegten und zu
derGoldenen Klassiker-Bibliothekgehörenden Ausgabe von
Grabbes Werken ist die Abhandlung zum ersten Male in ihrem
vollen Umfange bekannt geworden. (WW V 91—107.) Jedoch ist
der Text, den er gibt, keineswegs zuverlässig, vielmehr durch
mancherlei Ungenauigkeiten und Lesefehler, z. T. den Sinn trübend,
entstellt. 1)