| [GAA, Bd. IV, S. 129] als er ohne Zweck seine schwierigen Assonanzen, Trochäen, Stanzen schrieb? Schenk, ein Mann kräftiger Gestalt und Stimme, führte die Rolle des Sigismund bis auf die letzte Sylbe stark und 5tadellos durch, wild, characteristisch, ein Sohn des Felsgebirgs und der Gefängnißhöhle, — dann versetzt in den Thronsaal, das angeborne Edle aber (es gibt dergleichen und wär's aus einem früheren Dasein!) und das Wenige der Erziehung, welches ihm Clotald gegeben, stets hervorhebend. Es kümmerte 10ihn nicht, [S. 16] daß, wie das Original vorschreibt, sein Vater während der Rede, die er über sein Geschick hält, gegen alle Convenienz und Rührspiele, im letzten Act ihm lange zu Füßen lag. Dieser Wurm von Vater, der aus den Fäden des Schicksals (welches wir so wenig kennen als uns, weil 15wir auch dazu gehören) Seide spinnen wollte, ward mit Recht übersehen, als die ehernen Knoten selbstherrschend sich lös'ten, ausbreiteten, eine gewaltige, doch sühnende Hand. — Die andere Hauptrolle, Rosaura, ward von der Mad. Lauber-Versing schlecht gespielt, d. h., sie spielte nicht, sondern 20war Rosaura. Ich hütete mich, diese Actriçe nach der Einen Darstellung zu beurtheilen, denn die konnte zu den gewöhnlichen Paradepferden gehören. Aber die Versing hat seitdem in den verschiedenartigsten Rollen bewährt, daß sie eine der ersten Künstlerinnen ist, die das deutsche Theater besessen. 25Besessen! denn wie viele gibt's noch, die mehr sind als von verliebten oder befangenen Theaterreferenten geschnitzelte Fetische? Sie stellt ernste und komische, große und kleine Partieen mit gleich frischer Kraft und Lust dar, und, was die sicherste Spur des Schauspielgenies, sie wird nicht durch 30die elende dichterische Beschaffenheit einer Rolle abgeschreckt, sondern beachtet nur, wie sie mit ihrer Kunst sie tüchtig ins Leben rufe. Die kühnen Bilder gleich zu Anfang des calderonischen Stücks, die feurige [S. 17] Schilderung des verlorenen Rosses, sprangen vor, ungemacht und doch individuell, 35daß man diese spanische Gluth zwar für etwas Eigenthümliches, aber in seiner Eigenthümlichkeit Begründetes, Natürliches hielt. Eben so war's in den Scenen, wo Sigismund ungebührlich gegen sie wird, wo sie dem Astolf ihr Bildniß entreißt, und sich darüber freut, als hätte sie die Welt gewonnen, 40— wo sie in die Schlacht zieht, — und wo sie statt der Hand Sigismunds (welche ihr schon wegen Sigismunds vornehmeren |
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