Das Christian-Dietrich-Grabbe-Portal
 
GAA, Bd. IV, S. 123 zurück Seite vorwärts

[GAA, Bd. IV, S. 123]

 


Erstdruck I.
Von Frankfurt am Main und dessen Theater.

Wegen Verlags meines Trauerspiels Hannibal stand ich mit
dem Buchhändler Schreiner in Düsseldorf in Unterhandlung,
5und reis'te von Frankfurt a. M. zu ihm.

  Frankfurts Conversation bestand zur Zeit meiner Anwesenheit
(Oct. und Nov. v. J.) fast nur in Gerede über die
spanischen Bons, und ich hoffte, im Theater diesem Tagsgeschwätz
zu entrinnen. Manche Erfahrung hatte mich belehrt,
10auf den besten deutschen Bühnen selten Ausgezeichnetes zu
erwarten, besonders seit die weibliche Sonntags-Coquetterie
mit Körper und Stimme die Oper dem Haufen anziehend gemacht,
den Gesang verderbt hat. Doch das währt auch nicht
lange, Mozarts [S. 4] Erstdruck Susannen und Elviren sind noch lebensfrisch,
15und überdauern das Gesindel, welches sie zu spielen
wähnte, und nur umspielte. Denn keine Nation kam so oft
wie die deutsche von Verirrungen wieder auf den rechten
Weg. Bei den meisten Völkern war es, wenn die Kunst sank,
für immer mit ihr aus. Nicht bei uns, insbesondere nicht bei
20der Poesie, dem Urquell aller Künste. Man zähle, in welch
verschiedenen Zeiten sich ihr Ruhm bei uns erneute: die Zeiten
des Heldenbuchs, der Nibelungen, der Minnesänger,
Luthers, Flemmings und Gerhards, Klopstocks, Wielands und
Lessings, Schillers und Goethes.

25
  Demnach voraus auch in Hinsicht des Schauspiels mit Trost
auf künftige Jahre versehn, und bedenkend, daß in einem
Landstapel-Platz, wie Frankfurt a. M., die Bühne nicht übel
besetzt sein könne, ging ich in's Theater. Und obgleich ich
an manchem Abend wieder hinging, mit der Hoffnung, mich
30in irgend einer meiner geringen Erwartungen nicht stets zu
täuschen, blieb die Wirklichkeit fortwährend unter ihnen. In
Goethes Vaterstadt seinen Goetz so zu verhunzen! Dieser Hr.
Becker, fettiger Gestalt, einst nicht ohne papiernen Ruf,
schuf aus der Eisenfaust eine feuchtsentimental-grobe Bierbrauerpatsche,
35seine Mitspieler schufen noch weniger, sondern