| [GAA, Bd. IV, S. 126] dem Sprechenden nach, wie ich das irgendwo mit einem Grausen, das den furchtbar-schönen Reiz des Stücks erhöhte, in Rossinis Othello gewahrte. Der Souffleur hatte heut also plötzlichen Unfall erlitten, und die Schauspieler mußten in Verlegenheit 5sein, denn sie hatten eine der leichten, lustigen, aus dem Französi- [S. 10] schen umgearbeiteten Conditorwaaren darzubieten, welche schnell verschluckt sein wollen, sollen sie nicht unschmackhaft werden. Doch das Stück ward schneller, ineinandergreifender und unbefangener gespielt, als wäre der 10Einbläser da, kein einziger Anstoß, alles sicher, als müßt' es so sein. Und bis diesen Tag, während 5 Monaten, in welchen in jeder Woche vier- bis fünfmal gespielt worden, hab' ich keine Souffleurstimme vernommen, und nur selten einige dii minorum, noch seltener einen deus maiorum gentium fehlsprechen 15hören. Das würde auch dahier gefährlich sein, denn das Publicum hat sich so gewöhnt, die Stücke streng memorirt zu hören, daß es den kleinsten Fehler mündlich oder gedruckt rügt. Den berühmten Devrient sah ich dagegen einmal in einer großen Stadt die Rolle des Notars in No. 777 spielen, 20und die ihm vor der Nase stehende Darstellerin der Frau Putzig erstaunte nicht wenig, wenn ihr sehr oft auf ihr Stichwort ihre Worte aus dem Munde des Notars entgegenrasselten. Weder einer von der Menge, kein Recensent, ja, kein Hahn oder Huhn krähten darnach — Devrient d. Ä. stand auf 25dem Comödienzettel und das Gepräge ersetzte den innern Werth. Er ward gerufen. Wie leicht und ersprießlich für alle Schauspieler, folgten sie in diesem Punct den hiesigen. Es ist eine lächerliche Uebersetzung des griechischen [S. 11] Worts, wenn in manchen 30Archäologieen steht, "Simonides erfand das Gedächtniß", statt "die Gedächtnißkunst." Letztere aber existirt, und braucht nicht einmal der künstlichen Mittel Kästners, Aretins usw., sondern heiterer Aufmerksamkeit und Auffassung. Guter, ernster, nicht ängstlicher Wille und Uebung, stärken auch ein 35schwaches Gedächtniß bald in's Unglaubliche, machen ihm das Schwerste zum Spiel. Da die Bühne zu Düsseldorf des Souffleurkastens nicht mehr bedarf, begreif' ich nicht, warum sie diese Unzier nicht längst weggeworfen. Andere Theater folgten aus Scham dem Beispiel, weil das Gute stets durchdringt, 40sieht man es einmal möglich gemacht. |
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