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Nr. 3, siehe GAA, Bd. V, S. 3thumbnail
Christian Dietrich Grabbe (Detmold) an Dorothea Grabbe, Adolph Henrich Grabbe (Detmold)
Brief

      Handschrift Liebe Eltern!

  Schnell ergreife ich die Feder da ich höre, daß mein Vater
mit mir nach Meinberg will!

20Ich habe einen heftigsten Wunsch, Wunsch sage ich die heftigste
Begierde, die größte Leidenschaft, nach einem Buche. Aber
ach alle meine Wünsche scheitern, meine Ruhe ist dahin auf
lange, lange Zeit, es ist — es ist — — — — ich bin verwirrt,
ich vermag es nicht zu schreiben es ist — — — o Gott — — —
25zu theuer. Zitternd schreibe ich es. Wie gern gäbe ich vieles
von meiner Kleidung dahin um es zu erhalten, allein dies
würdet ihr nicht erlauben, doch geht es so erlaub es Vater,
liebe Mutter! bedenk bedenkt, daß wahrscheinl. die Ruhe
Eures Sohnes auf lange Zeit davon abhängt. Abschreiben möcht
30ich es aber es sind 14 Bände. Schon seit langer Zeit habe

[GAA, Bd. V, S. 4]

 


ich mich mit dem Wunsch es zu erhalten umhergetrieben, schon
lange Wochen nagte innere Unruhe an meinen Herzen. Dies
Herz war zu voll, zu besorgt, als daß es hätte hoffen können
es über die Lippen zu bringen, oder es zu schreiben. Daher
5war jener finstere Trübsinn den ich ganz nachhing wo ich
überall stand und in mich selbst versunken war, ihr wolltet
ihn vertreiben, allein ich hange ihn noch jetzt in einsamen
Stunden nach, dann hoffe ich ihn in Eurer Gesellschaft zu
zerstreuen, durch Frohsein darinn auseinander zu treiben,
10aber vergebens, habe ich mich entfernt so umhüllen wieder
finstere Wolken meine sonst jugendliche freie Stirn. Darum
murrte ich wenn ich ein neu Kleid bekam: ach dachte ich
du hast der Kleider so viele, hättest du doch das Geld dafür,
daß du es zum Buche brauchen könntest. Ach Gott wie gern,
15wie freudig wollte ich auf manches Verzicht thun wenn ich nur
das Buch Handschrift bekäme. Giebst Du es mir dann will ich wahrhaftig
lange kein ander Buch als ein Schulbuch, lange kein neu Kleid
haben, und Dir, durch kindlichen Gehorsam, so viel wie ich
kann, und was doch meine Schuldigkeit ist Dein Alter versüßen.
20Da ich so ungeheuere Liebe zur Geographie habe, so
habe ich eine solche Begierde danach, es ist von den so berühmten
Zimmermann. Da es wissentschaftlich ist, so kannst
Du denken, daß ich es zur Unterhaltung nicht verlange. Es
heißt: Zimmermann Taschenbuch der Reisen bei Gerhard Fleischer
25zu Leipz. m. K. und Charten. Verschreibst Du es mir
so will ich alles Unnöthige verkaufen. O Gott welch einen
Tag habe ich heute wieder gehabt ich habe das Buch immer
vor Augen gehabt. Ganz genau weiß ich den Preis selbst
nicht, frag daher erst die Buchhandlung ja darum, daß sie es
30Dir nicht schicken, und es wäre Dir zu theuer. Jetzt wollte
ich Dich warnen mich mit nach Meinberg zu nehmen, weil
denn das Geld was ich da verzehren würde besser zum
Buche angewandt wäre. Ich will keine Butter mehr essen,
Kaffee wenig trinken. Frag doch den Dienstag um den Preis
35des Buchs, und verschreib es darnach wenn du kannst, bedenk
meine Ruhe hängt lange, lange davon ab, jetzt beschließ
diesen unter manchen Zähren und Schluchzen geschriebenen
Brief.

  Die Schrift konnt ich wegen meiner Unruhe nicht besser
40machen.

[Detmold, 1812/13.]

[GAA, Bd. V, S. 5]

 


  Handschrift Zum Zeichen, daß ich alles Mögliche gethan habe, lege ich
meine Aufsätze zum Durchsehen bei, und bitte sie wieder
auf die Kammer unten in mein Bücherbrett zu legen.

                        Euer
5geliebter Christian.

[Adresse:] Handschrift An Hrn. Zuchtmeister Grabbe zu Detmold. frei.